Rz. 1098

Von den einzelnen Loyalitätspflichten sind insb. die Nachfolgenden besonders zu erwähnen:

Abwerbung

Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist es dem Arbeitnehmer untersagt, Mitarbeiter für ein eigenes oder fremdes Unternehmen abzuwerben. Erlaubt sind aber Informationen an Kollegen zum eigenen Arbeitgeberwechsel oder die Mitteilung einer beabsichtigten Selbstständigkeit (vgl. BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 190/07).

 

Rz. 1099

Anzeigen

Aus der Verpflichtung des Arbeitnehmers zum sorgfältigen Umgang mit den Einrichtungen und den Arbeitsmitteln des Betriebes ergibt sich die weitere Verpflichtung, Störungen und Schäden in seinem Arbeitsbereich dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen und i.R.d. ihm Möglichen und Zumutbaren selbst zu beheben. Geht eine Schädigung eines Arbeitgebers vom rechtswidrigen Verhalten eines Arbeitskollegen aus, der bspw. Arbeitserzeugnisse, Werkzeuge oder Materialien des Betriebes stiehlt oder unterschlägt, ist der Arbeitnehmer aufgrund der Loyalitätspflicht gehalten, den Arbeitgeber zu unterrichten und mithin andere Arbeitskollegen "anzuschwärzen" (BAG v. 18.6.1970, DB 1970, 1598; LAG Berlin v. 9.1.1989, BB 1989, 630). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die schädigende Handlung im Arbeitsbereich des Arbeitnehmers abspielt und Wiederholungsgefahr besteht (vgl. LAG Hamm v. 29.7.1994 – 18 (2) Sa 2016/93). Eine Pflicht zur Selbstbezichtigung bei einem Treueverstoß besteht allerdings nicht (BGH v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02).

 

Rz. 1100

Kirchlicher Dienst

Arbeitnehmern in kirchlichen Einrichtungen obliegen besondere Loyalitätspflichten. Besonderheiten ergeben sich insb. aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, wonach Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbst ordnen und verwalten (vgl. BVerfG v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12). Insb. die katholische Kirche hat eigene kirchenrechtlich verbindliche Regelungen zu Loyalitätspflichten und deren Verletzung kodifiziert. So bestimmt Art. 5 Abs. 2 GrOkathK eine differenziert gefasste Generalklausel mit Regelbeispielen von Loyalitätsverstößen, die die Kirche für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen für schwerwiegend und ausreichend ansieht, bspw. einen Verstoß gegen das kirchliche Eherecht, eine Scheidung oder die homosexuelle Betätigung. Für den Bereich der evangelischen Kirche enthält die Loyalitätsrichtlinie vom 2.12.2016 verbindliche kirchengesetzliche Festlegungen.

Vermehrt prüfen die Arbeitsgerichte die Vereinbarkeit kirchlicher Loyalitätsrichtlinien mit dem KSchG.

 

Rz. 1101

Auch bei Kündigungen wegen enttäuschter Loyalitätserwartungen eines kirchlichen Arbeitgebers kann aber die stets erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis führen, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumutbar und die Kündigung deshalb unwirksam ist. Nach der Entscheidung des BAG v. 8.9.2011 sind das Selbstverständnis der Kirchen einerseits und das Recht des Arbeitnehmers andererseits auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in jedem Einzelfall gegeneinander abzuwägen (vgl. BAG v. 8.9.2011, FA 2011, 299).

Das BVerfG legt in seiner Entscheidung vom 22.10.2014 (2 BVR 661/12) zur Prüfung der Interessenabwägung ein zweistufiges Prüfungsverfahren zugrunde. Auf einer ersten Prüfungsstufe im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche prüft das Gericht, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags beteiligt ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt. Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist dann unter dem Gesichtspunkt der Schranken des "für alle geltenden Gesetzes" eine Gesamtabwägung vorzunehmen, in der die – im Lichte des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen verstandenen – kirchlichen Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer – vor allem Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht), Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie einschließlich des Schutzes der sog. Zweitehe nach Scheidung) und Art. 12 Abs. 1 GG (Ausbildungs- und Berufsfreiheit) sowie deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen – auszugleichen sind. Die widerstreitenden Rechtspositionen sind dabei – dem Grundsatz der praktischen Konkordanz entsprechend – jeweils in möglichst hohem Maße zu verwirklichen. Hierbei ist dem Selbstverständnis der Kirche ein besonderes Gewicht beizumessen, ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen.

 

Rz. 1102

Krankheit

Während einer Erkrankung hat der Arbeitnehmer alles zu unterlassen, was seine baldige Genesung hindert (BAG v. 26.8.1993, BB 1994, 142; BAG v. 2.3.2006, NZA-RR 2006, 636).

 

Rz. 1103

Meinungsäußerung und politische Betätigung

Das in Art. 5 GG verankerte Recht zur freien Meinungsäußerung wird durch die arbeitsrechtliche Treuepflicht des Arbeitnehmers dergesta...

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