[Autor] Kunz

a) Rechtsgrundlagen

aa) Verschwiegenheitspflicht für Arbeitnehmer

 

Rz. 1795

Mit Wirkung zum 26.4.2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getreten. Mit dem Gesetz wurde die EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie 2016/943 in innerstaatliches Recht umgesetzt. Das Gesetz ist allerdings kein arbeitsrechtliches Gesetz, sondern eher dem Recht des unlauteren Wettbewerbs bzw. des gewerblichen Rechtsschutzes zuzuordnen. Auch wenn § 1 Abs. Nr. 4 GeschGehG ausführt, dass die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und die Rechte der Arbeitnehmervertretung unberührt bleiben, so tangiert das Gesetz gleichwohl das Arbeitsrecht.

 

Rz. 1796

Das LAG Düsseldorf hat im Fall eines Unterlassungsanspruchs eines Arbeitgebers gegen einen ehemaligen Arbeitnehmer zutreffend entschieden, dass mangels Übergangsvorschrift ein in die Zukunft gerichteter Unterlassungsanspruch, mit dem der zivilrechtliche Geheimnisschutz geltend gemacht wird, seit dem 26.4.2019 nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz gehe (vgl. LAG Düsseldorf v. 3.6.2020 – 12 SaGa 4/20, juris Ls. 1 Umsatzlisten). Arbeitgeber, die Unterlassungsansprüche gegen ihre (ggf. ehemaligen) Arbeitnehmer geltend machen, müssen sich nach h.M. ausschließlich auf § 6 GschGehG als abschließende Spezialregelung stützen (vgl. ArbG Aachen v. 13.1.2022 – 8 Ca 1229/20, juris; OLG Stuttgart v. 19.11.2020 – 2 U 575/19, juris; LAG Köln v. 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19, juris). Gleichzeitig sind mit dem 26.4.2019 die zuvor relevanten §§ 17–19 UWG a.F. aufgehoben (vgl. Art. 5 Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gem. Gesetz v. 18.4.2019, BGBl I, 466; vgl. Hessisches LAG v. 27.5.2020 – 18 Sa 1109/19, juris Rn 72 Kontakte; vgl. LAG Köln v. 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19, juris Rn 15 Daten).

 

Rz. 1797

Das GeschGehG verzichtet auf die bisher im deutschen Arbeitsrecht übliche Bezeichnung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, deren Differenzierung allerdings ohnehin keine besondere praktische Bedeutung zugeschrieben wurde, zugunsten der einheitlichen Bezeichnung als Geschäftsgeheimnis. Nach der Definition in § 2 Nr. 1 GeschGehG ist Geschäftsgeheimnis eine Information

a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
 

Praxistipp

Letztlich handelt es sich um vier Kriterien für das Vorliegen einer Information i.S.d. Geschäftsgeheimnisses, die alle erfüllt sein müssen:

1. Geheim (a)
2. Von wirtschaftlichem Wert (a)
3. Mit angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen vom Inhaber geschützt (b)
4. Berechtigtes Interesse des Inhabers an der Geheimhaltung (c)
 

Rz. 1798

Das GeschGehG enthält keine – speziell für das Arbeitsrecht konzipierte – Norm oder Definition, die für Arbeitnehmer eine generelle und eindeutige arbeitsvertragliche Verpflichtung enthält, über Geschäftsgeheimnisse während der Dauer des Anstellungsverhältnisses Stillschweigen bewahren zu müssen (zur nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht s. § 33 Rdn 9 ff., zu nachvertraglichen Treuepflichten s. § 33 Rdn 1 ff.).

 

Rz. 1799

Es bleibt für das Arbeitsrecht, neben dem GeschGehG und der allgemeinen arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen gem. § 241 Abs. 2 BGB (vgl. Schaub/Linck, ArbR-HdB, § 53 Rn 46 m.w.N.), bei einigen spezialgesetzlich geregelte Verschwiegenheitspflichten, die – anders als die §§ 17–19 UWG – nicht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 aufgehoben wurden. Zivilrechtlicher Geheimnisschutz findet sich in § 24 Abs. 2 ArbNErfG im Zusammenhang mit Diensterfindungen, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, von ihm entwickelte Diensterfindungen so lange geheim zu halten, als sie nicht gem. § 8 ArbNErfG frei geworden sind. Darüber hinaus gibt es in § 79 Abs. 1 BetrVG für Betriebsratsmitglieder Verschwiegenheitspflichten über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (vgl. BAG v. 27.7.2016 – 7 ABR 14/15, juris Betriebsratsmitglieder). In § 13 S. 2 Nr. 6 BBiG ist deklaratorisch festgehalten, dass auch Auszubildende verpflichtet sind, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Verstöße bestimmter Berufsgruppen gegen die Schweigepflicht sind in den §§ 203, 204 StGB unter Strafe gestellt (vgl. zuletzt das Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen vom 30.10.2017 Non-Legal-Outsourcing-Gesetz, BGBl I, 3618; Möller, Kammerreport Hamm 2018, 7 ff. Verschwiegenheitsvereinbarung bei non legal outsourcing).

 

Rz. 1800

Die besondere Thematik der Verschwiegenheit im Home Office ist in keinem der Gesetze behandelt. Dabei drängt sich förmlich auf, dass die Risiken für den Geheimnisschutz im Home Office zwangsläufig höher als im...

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