Rz. 136

Die Insolvenzeröffnung führt nicht automatisch zur Beendigung der bestehenden Arbeitsverhältnisse, sondern die Dienstverträge bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, § 108 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter tritt in die Stellung des Arbeitgebers ein.

Für den Insolvenzverwalter besteht gem. § 113 InsO eine besondere Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende. Ist arbeitsvertraglich eine kürzere Frist vorgesehen, kann der Insolvenzverwalter mit der kürzeren Frist kündigen.

Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist stellen die nach Verfahrenseröffnung fällig werdenden Lohn- und Gehaltsansprüche Masseverbindlichkeiten dar. Hingegen sind Lohn- und Gehaltsansprüche für die Zeit vor Insolvenzeröffnung Insolvenzforderungen, § 38 InsO. Dies gilt auch für Ansprüche wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung, wenn arbeitsvertraglich eine über gem. § 113 InsO hinausgehende Kündigungsfrist vereinbart war.

 

Rz. 137

Die Kündigung der Arbeitsverhältnisse ist von dem Insolvenzverwalter vorzunehmen. Bei Kündigung durch einen Vertreter kann der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigung gem. § 174 BGB zurückweisen, wenn die Vollmacht nicht im Original vorgelegt wird.[93] Daher ist zu prüfen, ob die Kündigungen vom Verwalter eigenhändig unterschrieben sind bzw. oder eine Vollmacht im Original beigefügt ist.

Ein gesetzlicher Kündigungsschutz wird nicht von § 113 InsO erfasst. Betriebsratsmitglieder können deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG bei einer Betriebsstilllegung oder der Schließung einer Betriebsabteilung gekündigt werden. Sollen Schwangere, sich in Mutterschaft oder Elternzeit befindliche Mitarbeiter oder schwerbehinderte Mitarbeiter gekündigt werden, ist vor der Kündigung die Zustimmung der jeweils zuständigen behördlichen Stelle einzuholen.

Der Schutz für Schwerbehinderte greift unabhängig von der Kenntnis des Insolvenzverwalters. Es kommt lediglich darauf an, dass bereits ein Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung gestellt worden ist.[94] Nach Ansicht der BAG trifft den Arbeitnehmer erst nach Erhalt der Kündigung eine Offenbarungsfrist innerhalb von drei Wochen.[95] Die Kündigung wird durch die Offenbarung der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers unwirksam und daher unter Einschaltung des Integrationsamtes zu wiederholen.

 

Rz. 138

Besteht ein Betriebsrat, ist dieser zu allen Kündigungen anzuhören, § 102 Abs. 1 BetrVG. In der Anhörung sind die detaillierten Kündigungsgründe anzugeben. Dazu gehören auch die Sozialdaten der Arbeitnehmer.

Eine Stilllegung eines Betriebes mit mehr als 20 Arbeitnehmern stellt zugleich eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG dar. Unter den Begriff der Betriebsänderung fallen auch die Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen, der Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben, die grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen sowie die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren. Der Verwalter hat den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder für erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten, § 111 Abs. 1 BetrVG. Liegt dem Verwalter zum Zeitpunkt einer beabsichtigten Betriebs(teil)stilllegung ein Übernahmeangebot vor, welches bereits innerhalb kurzer Zeit zu konkreten Vertragsverhandlungen führt, kann die Kündigung wegen der Betriebsstilllegung unwirksam sein.

 

Rz. 139

Solange der Betrieb nicht endgültig stillgelegt ist, stellt eine Betriebsübernahme i.d.R. durch einen Interessenten einen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB dar. Gem. § 613a BGB gehen die Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber über, sofern der ordnungsgemäß über den beabsichtigten Betriebsübergang informierte Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht innerhalb von einem Monat nach Zugang der Mitteilung schriftlich widerspricht. Kündigungen wegen des Betriebsübergangs sind unzulässig. Bleibt der Arbeitnehmer aufgrund seines Widerspruchs bei dem Veräußerer, wird dieser dem Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen.

[93] Vgl. hierzu BAG ZIP 2002, 2003.
[95] Diese Ansicht geht zurück auf eine Entscheidung des BAG v. 27.5.1983, die Offenbarungsfrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung hat das BAG DB 2006, 1503 in analoger Anwendung des § 4 KSchG festgelegt.

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