Rz. 11

Grundsätzlich ist beim Familienunterhalt die Leistungsfähigkeit nicht Anspruchsvoraussetzung.

 

BGH, Beschl. v. 27. 4.2016 – XII ZB 485/14

Aufgrund der Besonderheiten des Familienunterhalts ist der Senat bislang davon ausgegangen, dass abweichend von der regelmäßigen Rechtsnatur des Unterhalts die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen keine Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs sei.

Der Verpflichtete könne im Verhältnis zu seinem Partner seinen Beitrag zum Familienunterhalt nicht unter Hinweis darauf verweigern, er sei ohne Gefährdung seines Eigenbedarfs zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage. Ein solches Verhalten wäre dem ehegemeinschaftlichen Prinzip fremd und widerspräche der familienrechtlichen Unterhaltsregelung (Senatsurteil vom 12.4.2006 – XII ZR 31/04, FamRZ 2006, 1010 Rn 36 m.w.N.; ebenso BVerfG FamRZ 1984, 346, 350 m.w.N.; vgl. Wendl/Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 3 Rn 43; ­NK-BGB/Kaiser, 3. Aufl., § 1360 Rn 14).

1. Grundsatz: kein Selbstbehalt

 

Rz. 12

Für einen Selbstbehalt besteht bei häuslichem Zusammenleben grds. keine Notwendigkeit.

 

BGH, Beschl. v. 27. 4.2016 – XII ZB 485/14

Beim häuslichen Zusammenleben kommen die vom Unterhaltspflichtigen an die Familie geleisteten Beiträge diesem selbst wieder zugute, indem sie auch für seine Lebensbedürfnisse Verwendung finden.

Daher besteht in der Regel keine Veranlassung dazu, dem Ehegatten als Selbstbehalt einen Betrag zu belassen, der vergleichbar mit dem Trennungsunterhalt und dem nachehelichen Unterhalt zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts bestimmt ist.

Zugleich hat der Unterhaltspflichtige regelmäßig seinerseits einen Unterhaltsanspruch.

2. Ausnahmen

 

Rz. 13

Eine Notwendigkeit für einen Selbstbehalt ergibt sich aber, wenn wie im Fallbeispiel

keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht,
der andere keine Unterhaltsleistungen mehr erbringen kann und
ein besonders hoher Bedarf gegeben ist.
 

BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14

Vom Regelfall familiären Zusammenlebens in einer häuslichen Gemeinschaft, in dem bei den einzelnen Familienmitgliedern nur der Elementarbedarf als Regelbedarf anfällt, unterscheidet sich der Fall einer bei einem Ehegatten aufgetretenen Pflegebedürftigkeit wesentlich.

Wegen des besonderen Mehrbedarfs des pflegebedürftigen Ehegatten, der seinerseits zu eigenen Familienunterhaltsleistungen nicht in der Lage ist, stellt sich die Frage der gleichmäßigen Verteilung aller verfügbaren Mittel (vgl. § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) nicht länger.

Vielmehr übersteigen die Pflegekosten – wie im vorliegenden Fall – oftmals das gesamte Familieneinkommen und würden bei unbeschränkter Unterhaltspflicht des anderen Ehegatten der übrigen Familie die Mittel entziehen, die diese für den eigenen Lebensbedarf benötigt. Das würde dann folgerichtig etwa auch für minderjährige haushaltsangehörige Kinder gelten und dürfte schon mit deren nach § 1609 Nr. 1 BGB gegenüber dem Familienunterhalt des bedürftigen Ehegatten zu beachtenden unterhaltsrechtlichen Vorrang nicht zu vereinbaren sein.

a) Ehegattenmindestselbstbehalt

 

Rz. 14

In solchen Fällen ist jedenfalls der Ehegattenmindestselbstbehalt (1.280 EUR) zu wahren.

 

BGH, Beschl. v. 27. 4.2016 – XII ZB 485/14

Dem Unterhaltspflichtigen muss daher in diesem Fall im Unterschied zum Fall des häuslichen Zusammenlebens auch beim Familienunterhalt der angemessene eigene Unterhalt als Selbstbehalt belassen werden. Das Oberlandesgericht hat diesen mit dem sogenannten Ehegattenselbstbehalt (vgl. Senatsurteil BGHZ 166, 351 = FamRZ 2006, 683, 685 f.) bemessen und hat sich hierfür auf eine insoweit dem Trennungsunterhalt vergleichbare Situation berufen (ebenso OLG Düsseldorf NJW 2002, 1353; OLG Köln FamRZ 2010, 2076; OLG Celle FamRB 2016, 133).

Würde sich in dieser Situation ein Unterschied zwischen Familienunterhalt und Trennungsunterhalt ergeben, stünde der Ehegatte besser, der sich zur Trennung vom pflegebedürftigen Ehegatten entschließt, was nicht zuletzt diesen weiter beeinträchtigen dürfte.

b) Eheangemessener Selbstbehalt

 

Rz. 15

Gerade das vom BGH vorgebrachte Argument, der auch im Rechtssinne getrenntlebende Ehegatte – beim Trennungsunterhalt gilt es zweifellos, den eheangemessenen Selbstbehalt zu wahren – dürfe nicht besser stehen als der Ehegatte, der sich nicht von seinem Ehegatten trennt, gebietet es, den eheangemessenen Selbstbehalt (Halbteilung) zu wahren. Vom BGH wurde diese Frage offengelassen.

 

BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14

Ob darüber hinaus dem Unterhaltspflichtigen auch gegenüber dem konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten generell die Hälfte seines Einkommens als Selbstbehalt zu belassen ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 33 ff.), erscheint naheliegend, bedarf in der vorliegenden Fallkonstellation eines den Ehegattenselbstbehalt nur geringfügig übersteigenden Einkommens aber keiner Entscheidung.

M müssen also mindestens 1.280 EUR bleiben (Ehegattenmindestselbstbehalt)

Darüber hinaus sollte ihm auch der eheangemessene Selbstbehalt belassen werden.

Dieser bestimmt sich nach dem Halbteilungsgrundsatz:

M hat 2.800 EUR.

F hat 500 E...

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