Rz. 1

M und F sind seit vielen Jahren verheiratet. M hat Altersvorsorgebezüge in Höhe von bereinigt monatlich 2.800 EUR. F erkrankt an Demenz und lebt nun wegen Pflegebedürftigkeit im Heim. F hat nach Berücksichtigung von Eigeneinkommen in Höhe von 500 EUR einen Restbedarf von 2.500 EUR. Gegen F werden nun – vom Betreuer der F bzw. vom Sozialhilfeträger auf den die Ansprüche übergegangen sind – 1.920 EUR Familienunterhalt der F geltend gemacht. Hierdurch verbleibe M das Existenzminimum von 880 EUR.

I. Vorbemerkung

1. Familienunterhalt als Verfahrensgegenstand

 

Rz. 2

Der Familienunterhalt hat als Verfahrensgegenstand nur sehr geringe Bedeutung in der gerichtlichen Praxis.

Familienunterhalt setzt eine intakte Ehe voraus, in der es üblicherweise nicht zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten kommt.

Als Verfahrensgegenstand hat er also bspw. Bedeutung

in Fällen wie dem vorliegenden[1] oder
wenn bspw. der Betreuer eines Ehegatten gegen den anderen Ehegatten einen Taschengeldanspruch geltend macht.
[1] Dieses soziale Problem wird durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz (vgl. hierzu Fall 54, § 18 Rdn 2 ff.) nicht beseitigt, vgl. Viefhues, Auswirkungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes auf den Elternunterhalt, juris Die Monatszeitschrift 2020, 96, 97.

2. Familienunterhalt als Vollstreckungsgegenstand

 

Rz. 3

Bedeutung erlangt der Anspruch auf Familienunterhalt, speziell in Form des Taschengeldanspruchs, vereinzelt als Zwangsvollstreckungsgegenstand (ein Gläubiger pfändet den Taschengeldanspruch und macht ihn gegen den Ehegatten, den Drittschuldner, gerichtlich geltend).

3. Familienunterhalt als Einwand gegen konkurrierende Unterhaltsansprüche

 

Rz. 4

Sehr große praktische Bedeutung hat der Anspruch auf bzw. die Verpflichtung zum ­Familienunterhalt jedoch als Einwendung (Leistungsunfähigkeit) – in Geld veranschlagt, also "monetarisiert" –, wenn er mit anderen Unterhaltsansprüchen konkurriert, speziell mit Ansprüchen solcher Unterhaltgläubiger, die nicht im Familienverband leben.

II. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 5

 

§ 1360 Verpflichtung zum Familienunterhalt

Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.

 

§ 1360a Umfang der Unterhaltspflicht

(1) Der angemessene Unterhalt der Familie umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen.

(2) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen.

(3) Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1613 bis 1615 sind entsprechend anzuwenden.

(4) Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Das Gleiche gilt für die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das gegen einen Ehegatten gerichtet ist.

 

§ 1360b Zuvielleistung

Leistet ein Ehegatte zum Unterhalt der Familie einen höheren Beitrag als ihm obliegt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass er nicht beabsichtigt, von dem anderen Ehegatten Ersatz zu verlangen

1. Anspruchsvoraussetzungen

 

Rz. 6

Familienunterhalt setzt eine bestehende eheliche Lebensgemeinschaft voraus.

 

BGH, Beschl. v. 27. 4.2016 – XII ZB 485/1

Nach § 1360 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten.

Der Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB ist ein grundsätzlich wechselseitiger Anspruch unter Ehegatten bei bestehender Lebensgemeinschaft (MüKo-BGB/Weber-Monecke, 6. Aufl., § 1360 Rn 2 f.; Wendl/Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 3 Rn 1).

a) Bestehende Ehe

 

Rz. 7

Familienunterhalt erfordert eine bestehende Ehe.

 

BGH, Beschl. v. 27. 4.2016 – XII ZB 485/14

Der vom Gesetz als Wirkung der Ehe vorgesehene Anspruch auf Familienunterhalt setzt das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB voraus.

Nach Trennung der Ehegatten tritt der Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 BGB an die Stelle des Familienunterhalts zwischen Ehegatten.

M und F sind im Fallbeispiel verheiratet,

b) Keine Trennung

 

Rz. 8

Die Eheleute dürfen nicht im Rechtssinne getrennt leben. M und F leben nicht getrennt.

 

BGH, Beschl. v. 27. 4.2016 – XII ZB 485/14

Der Begriff des Getrenntlebens ist in § 1567 BGB gesetzlich definiert. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung stimmt der Begriff des Getrenntlebens im Sinne von § 1361 Abs. 1 BGB mit demjenigen des § 1567 BGB überein (vgl. MüKo-BGB/Weber-Monecke, 6. Aufl., § 1361 Rn 5; NK-BGB/Kaiser, 3. Aufl. § 1360 Rn 3; Palandt/Brudermüller, BGB, 75. Aufl., § 1361 Rn 9).

Wä...

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