Rz. 32

Hinsichtlich der Vor- und Nacherbfolge ist umstritten, ob der Bevollmächtigte vor Eintritt des Nacherbfalls nur den Vorerben oder auch den Nacherben vertreten kann.[87] Ließe man auch die Vertretung des Nacherben schon zu, so würde dies die Möglichkeit eröffnen, den Vorerben letztlich von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB zu befreien, was von § 2136 BGB eigentlich ausgeschlossen ist. Daher wird z.T. vertreten, dass der transmortal Bevollmächtigte postmortal nur den Vorerben vertritt und damit ebenfalls den Beschränkungen des Vorerben unterliegt. Kollmeyer[88] folgert daraus, dass nach dem Tod des Vollmachtgebers nie allein aufgrund der Vollmacht gehandelt werden kann, sondern stets die Erbfolge zu klären ist, um den Umfang der Vertretungsmacht feststellen zu können.

Fraglich ist darüber hinaus, ob nicht die Nacherbenvollstreckung vorrangiges Instrument zur Einflussnahme auf die Nacherbenstellung ist (§ 2222 BGB). Zum Teil wird gleichwohl angenommen, dass der Bevollmächtigte auch die Nacherben vertritt, weil er eben alle Erben vertrete.[89] Das kann aber meines Erachtens mangels Eintritts des Nacherben in die Rechtsstellung des Erblassers vor Eintritt des Nacherbfalles nicht angenommen werden.[90]

 

Rz. 33

Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit dürfte sich jedenfalls eine klarstellende Regelung anbieten, die etwa lauten könnte:[91]

Muster 20.3: Baustein Grundmuster – Vertretung etwaiger Nacherben

 

Muster 20.3: Baustein Grundmuster – Vertretung etwaiger Nacherben

(Standort im Grundmuster I und II: [92] § 2 (1))

Diese Vollmacht berechtigt auch(/nicht) zur Vertretung etwaiger Nacherben, vor (und nach) dem Nacherbfall. Sie tritt selbstständig neben eine etwaig angeordnete Nacherbenvollstreckung. Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Nacherbenvollstreckers werden nicht gewünscht.

Der Rechtsberater sollte den Mandanten aber darauf hinweisen, dass nicht sicher ist, ob eine Vertretung des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalles konstruktiv überhaupt möglich ist.

Keim[93] weist zu Recht darauf hin, dass der Vorerbe durch eine ihm erteilte transmortale Vollmacht, die unter Befreiung von § 181 BGB[94] dazu berechtigt, auch die Nacherben zu vertreten, der Vorerbe in die Lage versetzt wird, völlig frei und ohne die Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB zu verfügen und z.B. Verfügungen an Dritte vorzunehmen oder Nachlassgegenstände aus der Nacherbenbindung herauszunehmen.[95] Gleichwohl dürfte es im Normalfall angeraten sein, die Vertretung der Nacherben nicht auszuschließen, um die Vollmacht gegenüber dem Grundbuchamt nicht zu entwerten. In der Gestaltung ist im Einzelfall abzuwägen.

[87] DNotI-Report 2018, 60, 61; Becker, ZEV 2018, 692.
[88] Kollmeyer, ZEV 2021, 557, 559.
[89] KGJ 36, A 166; KG Urt. v. 13.5.1912 – 1 X 149/12, KGJ 43, A 157, 159 f.; Keim, DNotZ 2008, 175, 178 f.; Weidlich, ZEV 2016, 57, 64; Zimmer, ZEV 2014, 526, 532; Amann, MittBayNot 2013, 367, 367.
[90] Im Ergebnis auch BeckOGK BGB/Müller-Christmann, § 2112 Rn 67; jurisPK-BGB/B. Hamdan/M. Hamdan, § 2112 Rn 17; MüKo-BGB/Lieder, § 2112 Rn 9; Staudinger/Avenarius, Neubearb. 2019, § 2112 Rn 33 f.; der Sache nach auch RG, Urt. v. 26.10.1911 – Rep. IV. 34/11, RGZ 77, 177, 179.
[91] Angelehnt an Becker, ZEV 2018, 692.
[92] Grundmuster I und II siehe § 1 Rdn 8, 9.
[93] ZEV 2020, 1, 2.
[94] Siehe hierzu OLG München, Beschl. v. 14.6.2019 – 34 Wx 237/18, ZEV 2019, 533 m. Anm. Kollmeyer.

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