Rz. 58

Hat der Handelsvertreter die Kündigung des Vertragsverhältnisses ausgesprochen, entfällt der Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 3 S. 1 HGB nur dann nicht, wenn ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass[261] gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann.[262] Die Begriffe "begründeter Anlass" und "wichtiger Grund" decken sich nicht, weshalb selbst bei einer ordentlichen Kündigung ein begründeter Anlass vorliegen kann.[263] Es sind auch Überhangprovisionen, die dem ausgeschiedenen Handelsvertreter erst nach der Vertragsbeendigung zufließen, in die Berechnung der Ausgleichshöchstgrenze einzubeziehen.[264] Der Begriff des wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung nach § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB stimmt inhaltlich mit dem Begriff des wichtigen Grundes in § 89a Abs. 1 HGB überein.[265] Als "Eigenkündigung" i.S.d. Nr. 1 gilt auch die Weigerung des Handelsvertreters, ein Vertragsverhältnis fortzusetzen.[266] Allerdings ist darauf hinzuweisen. Der wichtigste und häufigste Fall des Ausschlusses von Ausgleichsansprüchen nach Kündigung des Unternehmers im Falle der Kündigung aus wichtigem Grund (zu den wichtigsten Gründen vgl. Rdn 52),[267] wobei in der Rechtsprechung der Begriff der "Kündigung" eher zum Begriff der Beendigung erweitert wird.[268] Schließlich entfällt der Anspruch bei Vorliegen des § 89b Abs. 3 Nr. 3 HGB, dh bei Eintritt eines Dritten in Vertragsverhältnisse.[269]

Im Falle des Wegfalls des Ausgleichsanspruchs wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters ist das Verschulden zu beachten.[270] Denn neben den wichtigen Kündigungsgründen (vgl. Rdn 52) stellt in der Regel auch die Insolvenz des Handelsvertreters einen wichtigen Grund dar, jedoch führt dies nicht zum Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs, da im Normalfall kein schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters vorliegt.

[261] Küstner/Thume, Bd. 2, Kap. XI Rn 30 ff., Baumbach/Hopt, § 89b Rn 56 ff.; OLG Brandenburg IHR 2007, 171.
[262] Vgl. BGH NJW 1976, 671 f.; BGH BB 1996, 235; OLG München VersR 1996, 1010; OLG Dresden VersR 1996, 1275; LG Bonn DB 1996, 2279 f.; OLG Köln 19 W 4/13, n.v.: wenn der Handelsvertreter die Tätigkeit nach Erreichen der Altersgrenze aufgenommen hat; Baumbach/Hopt, § 89b Rn 57; Küstner/Thume, Bd. 2, Kap. XI Rn 15 ff.; Scherer, DB 1996, 1709 ff.; Thume, BB 1998, 1425, 1429 f.
[263] BGH NJW-RR 2006, 755; BGH BB 1984, 1574.
[264] BGH NJW 1997, 316; Küstner/Thume, Bd. 2, Kap. XII Rn 13 ff.
[265] BGH NJW 2000, 1866; a.A. OLG Bamberg NJW-RR 1999, 1195.
[266] BGH BB 1996, 235; OLG Koblenz NJW-RR 2007, 1044: Die Kündigung soll aus diesem Grund erklärt worden sein; OLG Köln BB 1997, 61; dagegen kein Ausschluss, wenn der Handelsvertreter für ein anderes Unternehmen tätig wird, ohne Konkurrenzprodukte zu vertreiben, so OLG München NJW-RR 1995, 292; OLG Koblenz v. 11.2.2008 – 6 W 879/07, n.v.: Eigenkündigung auch bei anschließender einvernehmlicher vorzeitiger Beendigung möglich.
[267] Baumbach/Hopt, § 89b Rn 63 ff.; Küstner/Thume, Bd. 2, Kap. XI Rn 155 ff.; BGH NJW-RR 2011, 614 ff.: Einschränkungen zum Zeitpunkt der Kenntnis des wichtigen Grundes; unmittelbarer Zusammenhang zwischen wichtigem Grund und Kündigung erforderlich.
[268] OLG München DB 1993, 2280: Ablehnung der Kündigung des Vertrages ausr.; OLG Nürnberg BB 1959, 318: Aufhebung im beiderseitigen Einvernehmen teilweise ausreichend; BGHZ 171, 192: Änderungskündigung; eher eng auszulegen: OLG Hamm v. 29.5.2008 – 18 U 164/07, n.v.
[269] Vgl. Baumbach/Hopt, § 89b Rn 68; Küstner/Thume, Bd. 2, Kap. XI Rn 200 ff.
[270] BGH BB 2007, 2034: Fehlverhalten einer Hilfsperson ist dem Handelsvertreter zuzurechnen.

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