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Wesentliches Abgrenzungskriterium ist die Eingliederung des Handelsvertreters in die Organisation des Unternehmers, die nicht nur räumlich zu verstehen ist. Entscheidend ist nach ständiger Rechtsprechung[1] die persönliche Freiheit, und zwar die rechtliche im Gegensatz zur "wirtschaftlichen". In diesem Zusammenhang spielt der Umfang der Weisungen des Unternehmers eine große Rolle. Sie können sowohl die Vertragspartner, die Vertragsbedingungen oder die Verbuchung und Abrechnung betreffen als auch die Gestaltung der Tätigkeit des Handelsvertreters. Sie dürfen jedoch nicht so eng sein, dass die Tätigkeit des Vertreters nicht mehr von ihm "im Wesentlichen frei gestaltet" wird. Abreden über Ort und Zeit der Leistung sind zulässig, sofern der Handelsvertreter nicht durch übermäßige Anforderungen zum unselbstständigen Arbeitnehmer wird. Das gilt auch für regelmäßige Rücksprache, Aufsuchen des Büros des Unternehmers, telefonische Erreichbarkeit sowie bei Einschränkungen aufgrund der Geschäftsart, z.B. die Propagandisten im Kaufhaus. Entscheidend ist das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und tatsächlichen Handhabung,[2] nicht die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung.[3]

Als Indiz für die Selbstständigkeit sind das Vorliegen eines eigenen Unternehmens, die Tragung der Kosten und Risiken der Geschäftstätigkeit (Unternehmensrisiko, auch durch Einsatz von Hilfskräften),[4] eigene Geschäftsräume[5] und Geschäftseinrichtung,[6] Auftreten unter eigener Firma mit eigenem Personal,[7] Vertretung mehrerer Unternehmer und das Recht zum Einsatz von Untervertretern, Freiheit in Arbeitsumfang und Arbeitsgestaltung anerkannt.[8] Eher schwache formale Indizien sind dagegen die Anmeldung zum Gewerbeamt, die Eintragung in das Handelsregister und die Veranlagung zu Umsatz- und Gewerbesteuer.

Gegen die Selbstständigkeit des Handelsvertreters spricht bspw. die Genehmigungspflicht für jede Nebentätigkeit,[9] die Einbeziehung in die betriebliche Organisation, z.B. durch Einbindung in die Urlaubsplanung,[10] die Vorgabe des Tätigkeitsortes[11] und des Arbeitsplans,[12] die Befugnis des Unternehmers, den Handelsvertreter jederzeit kurzfristig in den Innendienst zu berufen,[13] der Besuch von Schulungsveranstaltungen,[14] das Abführen von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen,[15] die Verpflichtung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung[16] sowie die Unterzeichnung der Korrespondenz des Handelsvertreters auf Firmenpapier des Unternehmers.[17]

Neutral sind der mangelnde eigene Kapitaleinsatz, die Einfirmenvertretung[18] sowie Vereinbarungen über eine Mindestprovision und fester Spesenzuschuss.[19]

[1] Vgl. BAG AP Nr. 42, 44, 45 zu § 611 BGB "Abhängigkeit"; BFH BStBl 1985 II, 661, 663 f.; BGH DB 1998, 1460; vgl. zu dem Versicherungsvertreter: LAG Nürnberg ZIP 1999, 769; OLG Düsseldorf DB 1998, 2262 ff.; ArbG Lübeck BB 1996, 177 f.; ArbG Nürnberg, DB 1996, 2032; ArbG Neumünster VersR 1998, 1508; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, § 84 Rn 7 ff.; v. Westphalen, ZIP 1999, 1083; hiervon zu trennen ist die sozialversicherungsrechtliche Behandlung wegen § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI: hierzu siehe Heidel/Schall/Keßler, § 84 Rn 39 ff.
[2] Vgl. zur ges. Problematik BVerfG NJW 1978, 365 ff.; BGHZ 59, 87, 91; BGHZ 68, 340, 345; BGH BB 1982, 1876, 1877; BAG NJW 1964, 1641, 1642; BAG DB 1990, 1064, 1065; BAGE 18, 87, 90 ff.; BFH BStBl 1985 II, 661, 663; OLG Düsseldorf NZA AR 1998, 145; OLG Düsseldorf WM 1984, 1287, 1288; LAG Bremen DB 1955, 535; LSG Hamburg BB 1957, 332; MüKo/v. Hoyningen-Huene, § 84 Rn 26 ff.
[3] Vgl. BGHZ 18, 87, 91; zu dem Versicherungsvertreter: ArbG Lübeck BB 1996, 177 f.; ArbG Nürnberg DB 1996, 2032; BGH DB 1998, 1460.
[4] Vgl. BAGE 18, 87, 102; LSG Hamburg BB 1957, 332; OLG Celle BB 1958, 246; SG Detmold BB 1959, 636; BFH DB 1970, 862, 863; BGH BB 1982, 1876, 1877; ArbG Lübeck BB 1996, 177, 178; v. Westphalen, ZIP 1999, 1083 f.; Baumbach/Hopt, § 84 Rn 35 ff. m.w.N.
[5] Vgl. BGH BB 1982, 1876, 1877.
[6] Vgl. BGHZ 18, 87, 93, 101.
[7] Vgl. BGHZ 18, 87, 93 ff.
[8] Vgl. BGHZ 18, 87, 93.
[9] Vgl. BGH BB 1982, 1876, 1877; MüKo/v. Hoyningen-Huene, § 84 Rn 42.
[10] Vgl. ArbG Lübeck BB 1996, 177, 178; BGH NJW 1998, 2057, 2058.
[11] BGH NJW 1998, 2057; BGH NJW 1996, 2033.
[12] BAG DB 1997, 2437: jeden Tag voll eingesetzt.
[13] Vgl. OLG Düsseldorf WM 1985, 524, 526.
[14] Vgl. MüKo/v. Hoyningen-Huene, § 84 Rn 39.
[15] Vgl. BFH DB 1990, 862, 863; BFH BB 1982, 1876, 1877; OLG Düsseldorf WM 1985, 524, 526.
[16] Vgl. ArbG Lübeck BB 1996, 177, 178.
[17] Vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 92 HGB.
[18] Vgl. SG Detmold BB 1959, 636; ArbG Lübeck BB 1996, 177, 178; wobei bei Mehrfachvertretung i.d.R. Selbstständigkeit vorliegt.
[19] Vgl. OLG Celle BB 1958, 246.

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