Rz. 309

Nicht selten erkennt der Erbe nicht sofort beim Erbfall, dass die Anordnung eines Nachlassverfahrens notwendig ist. Er verwaltet den Nachlass und verfügt über Nachlassgegenstände. Danach wird eines der Nachlassverfahren angeordnet oder die Dürftigkeitseinrede erhoben. Was ist mit den vom Erben vorgenommenen Rechtshandlungen nach außen und im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern?

Für die Frage der Verantwortlichkeit des Erben ist zu unterscheiden, ob er die Erbschaft angenommen hatte oder nicht.

1. Vor Annahme der Erbschaft

 

Rz. 310

Für den Erben besteht keine Verpflichtung, tätig zu werden. Er handelt als Geschäftsführer ohne Auftrag, wenn er Rechtshandlungen in Bezug auf den Nachlass vornimmt (§ 1978 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Geschäft muss dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Nachlassgläubiger entsprechen, § 677 BGB.[251] Hat der Erbe vor der Verfahrenseröffnung freiwillig eine Nachlassschuld aus seinem Eigenvermögen beglichen, so wird dieser Erfüllungsvorgang vom Gesetz nicht rückgängig gemacht, vielmehr hat der Erbe einen Ersatzanspruch gegen den Nachlass nach §§ 1978 Abs. 3, 1979, 683, 670 BGB, wenn er den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht. Wenn der Nachlass überschuldet ist, also ein Nachlassinsolvenzverfahren eingeleitet werden muss, so hat die Forderung des Erben als Masseverbindlichkeit gemäß § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO den Vorrang.

[251] Staudinger/Dobler, § 1978 Rn 5; MüKo/Küpper, § 1978 Rn 3.

2. Nach Annahme der Erbschaft

 

Rz. 311

Der Erbe haftet ab Erbschaftsannahme den Nachlassgläubigern wie ein Beauftragter (§ 1978 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach § 667 BGB hat er das Erlangte herauszugeben. Auch hier gibt ihm das Gesetz einen Ersatzanspruch gegen den Nachlass nach §§ 1978 Abs. 3, 1979, 670 BGB, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreiche. In der Nachlassinsolvenz ist die Forderung des Erben ebenfalls bevorrechtigt nach § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die den Nachlassgläubigern zustehenden Herausgabe- und Ersatzansprüche fallen in den Nachlass (§ 1978 Abs. 2 BGB) und sind vom Nachlassverwalter bzw. Nachlassinsolvenzverwalter geltend zu machen.

 

Rz. 312

Die privilegierte Stellung eines vorrangigen Massegläubigers hat der Erbe dann nicht, wenn er aus eigenen Mitteln eine Nachlassschuld tilgte, obwohl er den Umständen nach nicht annehmen durfte, dass der Nachlass zur Erfüllung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreichen würde (§ 1979 BGB). Dann hat er gegen den Nachlass nur einen Bereicherungsanspruch nach §§ 1978 Abs. 3, 684 S. 1, 818 Abs. 2 BGB.[252] Im Nachlassinsolvenzverfahren kommt dem Erben aber insoweit eine Vorzugsstellung zu, als er an die Stelle des befriedigten Nachlassgläubigers tritt und dessen Forderung in voller Höhe geltend machen kann, § 326 Abs. 2 InsO.[253]

 

Rz. 313

Den Erben trifft – nach Annahme der Erbschaft – eine Schadensersatzpflicht gemäß § 1980 BGB, wenn er trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Überschuldung des Nachlasses nicht unverzüglich das Nachlassinsolvenzverfahren beantragt. Im Rahmen der Schadensersatzpflicht ist dem Erben die schuldhaft verspätete Stellung des Insolvenzantrags durch den Nachlasspfleger nicht gem. §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen.[254]

[252] MüKo/Küpper, § 1978 Rn 5; Palandt/Weidlich, § 1979 Rn 3.
[253] MüKo/Küpper, § 1978 Rn 5; Palandt/Weidlich, § 1979 Rn 3.
[254] BGHZ 161, 281.

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