I. Grundsatz der beschränkbaren Erbenhaftung

 

Rz. 124

Nur durch die im Gesetz im Einzelnen genannten Haftungsbeschränkungsmaßnahmen kann der Erbe die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränken (Grundsatz der beschränkbaren Erbenhaftung).

II. Die Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten im Überblick

 

Rz. 125

Zwei förmliche Verfahren stellt das Gesetz zur Verfügung:

die Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB),
das Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 1975 ff. BGB, §§ 315 ff. InsO)

(siehe hierzu Rdn 132 ff., Rdn 162 ff.).

 

Rz. 126

Darüber hinaus ist in zwei Fällen eine Haftungsbeschränkung auch ohne die Durchführung eines förmlichen Verfahrens zulässig, indem das Gesetz ausnahmsweise die Beschränkung der Haftung durch Erhebung einer Einrede ermöglicht:

der Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB),
der Überschwerungseinrede (§ 1992 BGB)

(siehe hierzu Rdn 193 ff.).

 

Rz. 127

Neben diesen vier Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung, die allen Nachlassgläubigern gegenüber Wirkungen erzeugen, kann der Erbe in zwei weiteren Fällen seine Haftungsbeschränkung nur einzelnen Gläubigern gegenüber vorbereiten, und zwar mit

dem Gläubigeraufgebot (§§ 1970 ff. BGB),
dem Nachlassinventar (§§ 1993 ff. BGB)

(siehe hierzu Rdn 208 ff., Rdn 218 ff.).

 

Hinweis

Gläubigeraufgebot und Inventarerrichtung sind keine Haftungsbeschränkungsmaßnahmen, sondern können solche lediglich vorbereiten.

 

Rz. 128

Diesen zeitlich unbegrenzten, insgesamt vier Haftungsbeschränkungsmaßnahmen und zweien, die die Haftungsbeschränkung vorbereiten, stehen die nur zeitweise wirkenden, aufschiebenden Einreden der §§ 2014 und 2015 BGB gegenüber.

Immer haftet der Erbe den Nachlassgläubigern unbeschränkt, d.h. auch mit seinem Eigenvermögen, wenn die Voraussetzungen für eine der Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung nicht mehr vorliegen. Der Erbe kann also seine Beschränkungsmöglichkeit auch verlieren, dann haftet er unbeschränkt.

Ausblick auf das Recht der Erbengemeinschaft: Bis zur Erbteilung steht als Haftungsbeschränkungsmaßnahme jedem Miterben die Einrede des ungeteilten Nachlasses zu, § 2059 Abs. 1 BGB.

III. Die zwei förmlichen Nachlassverfahren zur Herbeiführung der Haftungsbeschränkung

 

Rz. 129

Das Gesetz stellt zwei Verfahren zur Verfügung, die zu einer Gütersonderung führen und für den Erben seine Haftung gegenüber allen Nachlassgläubigern beschränken:

(1) die Nachlassverwaltung als Sonderfall der Nachlasspflegschaft (§§ 1975 ff. BGB),

(2) das Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315 ff. InsO).

 

Rz. 130

Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz werden nur auf Antrag angeordnet, wie sich aus §§ 1980, 1981 BGB und § 317 Abs. 1 InsO ergibt. Der Erbe kann von sich aus die mit der Eröffnung des Verfahrens verbundene Haftungsbeschränkung herbeiführen, weil das Gesetz ihm ein Antragsrecht gewährt (§§ 1980 Abs. 1, 1981 Abs. 1 BGB, § 317 Abs. 1 InsO).[139]

[139] Aber der Erbe ist nach Annahme der Erbschaft trotz eines schwebenden Erbprätendentenstreits und deswegen angeordneter Nachlasspflegschaft aus § 1980 Abs. 1 BGB verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen. Im Rahmen der Schadensersatzpflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB ist dem Erben die schuldhaft verspätete Stellung des Insolvenzantrags durch den Nachlasspfleger nicht gem. §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen, BGH NJW 2005, 756.

IV. Vorfragen bei Inanspruchnahme eines Erben

 

Rz. 131

Wird ein Erbe außergerichtlich oder gerichtlich in Anspruch genommen, so sind immer drei Fragen zu klären:

(1) Liegt eine Nachlassverbindlichkeit vor? (Zum Begriff der Nachlassverbindlichkeiten siehe oben Rdn 30 ff.)
(2) Wird für die Nachlassverbindlichkeit unbeschränkt oder gegenständlich – auf den Nachlass – beschränkt gehaftet?
(3) Gehört, wenn ein Vollstreckungszugriff stattgefunden hat, der Gegenstand der Vollstreckung zum haftenden Vermögen?

V. Die Nachlassverwaltung, § 1975 BGB

 

Rz. 132

Bei der eingetretenen Vermögensverschmelzung kann es in den Fällen, in denen die Gefahr der Überschuldung des Nachlasses besteht, nicht bleiben. Deshalb räumt das Gesetz dem Erben die Möglichkeit ein, die Vermögensmassen – bei einheitlicher Rechtsträgerschaft des Erben – in Bezug auf die Verwaltungszuständigkeit wieder zu trennen, um auf diese Weise eine Haftungsbeschränkung rechtlich und praktischerweise auch tatsächlich erreichen zu können (Herbeiführen der Gütersonderung). Die Trennung wird auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückfingiert. Kennt der Erbe den Umfang des Nachlasses nicht und muss er dessen Überschuldung befürchten, so ist das geeignete Haftungsbeschränkungsmittel die Nachlassverwaltung. Die Nachlassverwaltung ist ein Unterfall der Nachlasspflegschaft; aber es gibt doch einige erhebliche Unterschiede. So ist der Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben, während der Nachlassverwalter weder Vertreter der Erben noch der Nachlassgläubiger ist, sondern Inhaber eines privaten Amtes. Auch wenn Testamentsvollstreckung besteht, kann Nachlassverwaltung angeordnet werden.[140] Ebenso bei bestehender Nachlasspflegschaft.[141]

[140] RG LZ 1919, 875; Staudinger/Dobler, § 1975 Rn 22.
[141] BayObLGZ 1976, 167; Staudinger/Dobler, § 1975 Rn 22.

1. Verfahren

a) Zuständigkeit

 

Rz. 133

Das Nachlassgericht ordnet auf Antrag die Nachlassverwaltung an, wenn eine die Kosten der Nachlassverwaltung deckende Masse vorhanden (§ 1982 BGB) und noch kein ...

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