I. Erblasserschulden

1. Allgemeines

 

Rz. 30

Die Erblasserschulden rühren vom Erblasser her und bestanden bereits ihm gegenüber (§ 1967 Abs. 2 S. 1 BGB). Gleichgültig ist, ob die Verbindlichkeiten auf Vertrag, unerlaubter Handlung oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen (bspw. Einkommensteuerschuld) beruhen.[30] Dort, wo nur eine höchstpersönliche Erfüllung möglich ist, findet kein Schuldenübergang statt (bspw. die Verpflichtung des Dienstverpflichteten, § 613 BGB, oder des Geschäftsführers, § 673 S. 1 BGB). Solche höchstpersönlichen Verpflichtungen erlöschen mit dem Tod des Erblassers.

[30] Zum Übergang öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen vgl. BVerwGE 125, 325.

2. Unterhaltsverbindlichkeiten

a) Allgemeines

 

Rz. 31

Für Unterhaltsgläubiger gelten besondere Regeln:

Der Anspruch auf Verwandtenunterhalt (z.B. eines Kindes) erlischt nach § 1615 Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen. Vom Erben als Nachlassverbindlichkeit zu erfüllen ist der Unterhaltsanspruch des Verwandten nur, wenn er auf Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit gerichtet ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch für die Unterhaltspflicht gegenüber nichtehelichen Kindern und gegenüber dem überlebenden Ehegatten, von dem der Erblasser nicht geschieden war (§§ 1615a, 1360a Abs. 3, 1615, 1361 Abs. 4 S. 4 BGB).

b) Besonderheiten des nachehelichen Ehegattenunterhalts

 

Rz. 32

Demgegenüber geht die Unterhaltsverpflichtung des Erblassers gegenüber einem geschiedenen Ehegatten als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über (§ 1586b Abs. 1 BGB). Allerdings haftet der Erbe nur bis zur Höhe des Betrages, der dem Pflichtteil entspricht, der dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zustünde, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre (§ 1586b Abs. 1 S. 3 BGB). In die Berechnung der Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB sind auch (fiktive) Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben gem. § 2325 BGB einzubeziehen.[31] Nicht einzubeziehen sind hingegen Herausgabeansprüche gegen den Beschenkten gem. § 2329 BGB, da allein der Erbe und nicht auch der Beschenkte haftet.[32] Ob der Tod des Unterhaltsschuldners ein wichtiger Grund i.S.v. § 1585 Abs. 2 BGB ist, der dem Unterhaltsgläubiger das Recht gibt, eine Kapitalabfindung des Unterhalts verlangen zu können, ist ungeklärt. Es spricht aber vieles dafür. Aber nur der Gläubiger hat das Recht auf Abfindung, nicht auch der Erbe als Unterhaltsschuldner.

 

Rz. 33

Nachehelicher Unterhalt = Nachlassverbindlichkeit

Von den Erben zu erfüllen, § 1586b BGB

Vor der Erbteilung, § 2046 BGB

Das Erforderliche (einschl. etwaiger Prozesskosten) ist zurückzubehalten.
Nach Erbteilung gesamtschuldnerische Haftung, § 2058 BGB

Pflichtteilsrecht:

Als Nachlassverbindlichkeit vor Pflichtteilsberechnung vom Nachlass abzuziehen, § 2311 BGB
Spätere Ausgleichszahlung, § 2313 Abs. 1 S. 3 BGB

Unterhalt für Vergangenheit

Seit Verzug oder Rechtshängigkeit, § 1585b BGB
Sonderbedarf auch für frühere Zeit

Verjährung:

[31] BGHZ 146, 114; BGHZ 153, 372; BGH NJW 2007, 2307; Palandt/Brudermüller, § 1586b Rn 7.
[32] BGH NJW 2007, 2307; OLG Koblenz FamRZ 2003, 261; Palandt/Brudermüller, § 1586b Rn 7.

c) Haftungsbeschränkungsvorbehalt für den Kläger nach § 780 ZPO

 

Rz. 34

Der Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO einerseits und die Berufung auf die Haftungshöchstsumme des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB andererseits beziehen sich auf verschiedene Haftungsumfänge und bestehen unabhängig voneinander. Nach dem strengen Wortlaut des § 780 ZPO kann der Haftungsbeschränkungsvorbehalt nur vom Beklagten eines Prozesses geltend gemacht werden. Je nach Prozess-Situation kann die Erbenhaftung aber auch den Kläger treffen oder wenn der Erbe bspw. einen vom Erblasser auf Klägerseite geführten Prozess aufnimmt (§ 239 ZPO) und ihn nach ganzem oder teilweisem Unterliegen eine Kostenlast trifft. Vom Zweck der Norm her ist es geboten, über den reinen Wortlaut hinaus auch dem Kläger den Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO zu gewähren.

3. Zugewinnausgleichsforderung

 

Rz. 35

Eine Besonderheit ist auch für die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten zu beachten: Wählt der überlebende Ehegatte die güterrechtliche Lösung, die zu einer Zugewinnausgleichsforderung führt, so ist diese eine Nachlassverbindlichkeit (§ 1371 Abs. 2, 3 BGB). Sie hat insbesondere Vorrang vor Vermächtnissen und Pflichtteilsansprüchen.[33] Teilweise wird die Zugewinnausgleichsforderung als Erbfallschuld bezeichnet. Für die Beratung ist insbesondere zu klären, ob durch die Geltendmachung der Zugewinnausgleichsforderung eine Überschuldung des Nachlasses herbeigeführt wird oder ob sie möglicherweise vorher schon bestanden hat.[34] Dabei ist darauf zu achten, dass Nachlass einerseits und Endvermögen andererseits nach § 1375 Abs. 2 BGB grundsätzlich unterschiedlich sind.

(Zu den Wahlmöglichkeiten des Ehegatten vgl. § 13 Rdn 1 ff.)

Dasselbe gilt auch bei eingetragenen Lebenspartnern.

[33] BGHZ 37, 64.
[34] Auch nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens kann ein Stufenantrag bezüglich des Zugewinnausgleichsanspruchs beim FamG gestell...

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