Rz. 1

Das Erbrecht des Ehegatten ist in keiner Erbenordnung enthalten. Dem Ehegatten steht neben den Ordnungserben eine Art Sondererbrecht zu. Entscheidend für die Höhe des Ehegattenerbteils ist zum einen der eheliche Güterstand und zum anderen, neben welcher Erbenordnung der Ehegatte Erbe wird. Der Ehegatte des Erblassers ist nicht erbberechtigt, wenn zum Zeitpunkt des Todes die Voraussetzungen zur Scheidung der Ehe bestanden haben und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat (§ 1933 BGB). Für die Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsbegehren genügt es dabei, wenn sich aus den gesamten Umständen hinreichend klar ergibt, dass auch der Erblasser die Ehe für gescheitert hält und einer Scheidung nicht entgegentritt.[1] Die Zustimmung kann auch durch privatschriftliche Erklärung gegenüber dem Familiengericht erfolgen.[2] Auch wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr bestand, die Ehegatten ein Jahr getrennt lebten und einer von ihnen die Scheidung beantragt hatte, setzt § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB für die Feststellung des Scheiterns der Ehe nach Ansicht des BGH jedoch weiter voraus, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden konnte. Dies sei auch im Rahmen des § 1933 BGB zu berücksichtigen.[3] Verstirbt ein Ehegatte während eines rechtshängigen Scheidungsverfahrens, lässt jedoch die abstrakte Möglichkeit, die Ehegatten hätten sich bis zur Rechtskraft eines Scheidungsurteils wieder versöhnen können, die Voraussetzungen des § 1933 BGB nicht entfallen.[4]

 

Rz. 2

Gemäß § 1931 BGB erbt der Ehegatte neben Erben 1. Ordnung zu ¼ und neben Erben 2. Ordnung zu ½. Neben Erben 3. Ordnung ist zu unterscheiden: Sind noch alle Großeltern vorhanden, so erbt der Ehegatte zu ½. Sind dagegen nicht mehr alle Großeltern vorhanden und treffen die Abkömmlinge der nicht mehr vorhandenen Großeltern mit anderen Großeltern zusammen, so erbt der Ehegatte noch den Anteil der Abkömmlinge (§ 1931 Abs. 1 S. 2 BGB). Sind keine Großeltern mehr vorhanden, so erbt der Ehegatte allein. Neben Erben 4. Ordnung wird der Ehegatte ebenfalls Alleinerbe (§ 1931 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 3

Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so erhöht sich der Erbteil gemäß § 1371 Abs. 1 BGB um ¼.

 

Fall

Der Erblasser E hinterlässt seine Ehefrau F und seine Eltern V und M. Die Eheleute lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und haben keine Abkömmlinge.

Lösung

Der Ehegatte erhält neben Erben 2. Ordnung ½ (§ 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB). Darüber hinaus steht ihm der pauschale Zugewinn von ¼ nach § 1371 Abs. 1 BGB zu. Die Ehefrau F des Erblassers erbt neben den Eltern V und M zu ¾ (§ 1931 Abs. 1 i.V.m. § 1371 BGB). Die Eltern M und V erhalten jeweils ⅛.

 

Rz. 4

Gemäß § 1931 Abs. 2 BGB erbt der Ehegatte, wie bereits erwähnt, allein, wenn keine Großeltern mehr vorhanden sind. Sind alle Großeltern noch vorhanden, so erbt er die Hälfte.

 

Rz. 5

Leben nicht mehr alle Großeltern, so entsteht nach § 1931 Abs. 1 S. 2 BGB eine umstrittene Situation. Nach überwiegender Meinung[5] fällt der Anteil weggefallener Großeltern dann dem Ehegatten zu, wenn mit den weggefallenen Großeltern Abkömmlinge zusammentreffen. Der Anteil der verstorbenen Großeltern fällt also nur dann dem überlebenden Großelternteil zu, wenn die Großeltern selbst keine lebenden Abkömmlinge mehr haben.

 

Rz. 6

Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und wurde dieser durch Tod eines Ehegatten beendet, so erhöht sich der gesetzliche Erbteil des Überlebenden pauschal um ¼ (erbrechtliche Lösung, §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB). Die pauschale Erhöhung findet dabei unabhängig davon statt, ob der Ehegatte überhaupt einen Zugewinn erzielt hätte.[6]

 

Fall

Der Erblasser E hinterlässt seine Ehefrau F. Es sind keine Erben zweiter Ordnung (Eltern des Erblassers) mehr vorhanden. Es leben jedoch noch die beiden Großmütter G2 und G4 sowie die Tante T (Abkömmling von G2). Die Eheleute lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Lösung

Erben werden die Großmutter G2 zu 1/16 und die Großmutter G4 zu 2/16 sowie die Ehefrau F zu 13/16. Großmutter G4 erhält somit den Anteil von 1/16 von dem bereits verstorbenen Großvater G3. Großmutter G2 erhält den Anteil von Großvater G1 nicht, weil Tante T noch lebt. Der Anteil von Großvater G1 fällt zusätzlich an die überlebende Ehefrau F und nicht an die Tante T.

 

Rz. 7

Der Ehegatte hat aber auch die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen und dann gemäß §§ 1371 Abs. 3, 1, 1373 ff. BGB den konkreten Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil[7] geltend zu machen (güterrechtliche Lösung). Die güterrechtliche Lösung greift auch dann ein, wenn der Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen enterbt wurde.[8] Der Ehegatte hat in diesem Fall aber nach h.M. kein Wahlrecht auf den sogenannten großen Pflichtteil.[9]

 

Fall

Der Erblasser E hinterlässt seine Ehefrau F und seine drei Kinder K1 bis K3. Die Eheleute lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Lösung

Die Ehefrau F des Erblassers erbt ...

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