Rz. 80

Neben bspw. Verwirkung, Verzug, Mangelverteilung und Rangfragen sind an letzter Stelle – abgesehen von einer abschließenden allgemeinen Angemessenheitsprüfung – die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts (§ 1578b BGB) zu prüfen.

Es stellt sich die Frage: ist die Fortdauer eines Unterhaltsanspruchs von 955 EUR unbillig i.S.v. § 1578b BGB?

1. Grundsatz der Eigenverantwortung als Ausgangspunkt, Inhalt und Anwendungsbereich des § 1578b BGB

 

Rz. 81

Vgl. hierzu den Fall 58, Rdn 7 ff.

2. Prüfungsreihenfolge: Herabsetzung vor Befristung

 

Rz. 82

Zunächst ist die Herabsetzung zu prüfen, vgl. den Fall 58, Rdn 10 ff.

3. Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1

 

Rz. 83

Mögliches Ziel der Herabsetzung: angemessener Bedarf.

4. Herabsetzung bis auf den angemessenen Bedarf?

a) Deckung des angemessenen Bedarfs kompensiert ehebedingte Nachteile

 

Rz. 84

D.h.: F soll nur noch so viel Unterhalt erhalten, dass der Unterhalt zusammen mit Eigeneinkommen nur noch den angemessenen Bedarf – nicht mehr den eheangemessenen Bedarf – deckt.

Angemessener Bedarf: das, was die F heute hätte, wenn sie nicht geheiratet (und Kinder betreut) hätte. F soll also mit dem Unterhalt (nur noch) so gestellt werden, wie sie ohne Eheschließung stünde.

Wie stünde die Unterhaltsberechtigte heute ohne Ehe (und Kindererziehung)?

b) Der angemessene Bedarf in Fällen der Krankheit

 

Rz. 85

 

Hinweis

Bei Krankheit ist zu beachten, dass bei der Feststellung des hypothetischen Einkommens nicht einfach eine frühere – z.B. voreheliche und infolge Heirat aufgegebene – Tätigkeit als fortdauernd unterstellt werden kann!

Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass Krankheit in der Regel nicht ehebedingt, sondern schicksalhaft ist.

 

BGH, Urt. v. 2.3.2011 – XII ZR 44/09

Beim Krankheitsunterhalt kann hingegen nur auf das Einkommen abgestellt werden, das der kranke Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe und Kindererziehung zur Verfügung hätte. Denn wenn er auch ohne die Ehe zu keiner Erwerbstätigkeit in der Lage wäre, kann nicht auf ein fiktives Einkommen abgestellt werden, das ein gesunder Unterhaltsberechtigter erzielen könnte.

Wenn die Krankheit nicht ehebedingt ist, ergibt sich der angemessene Lebensbedarf im Sinne von § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit also aus der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei auch hier von der tatsächlichen Rente nach Durchführung des Versorgungsausgleichs auszugehen ist.

Nur wenn der Unterhaltsberechtigte noch teilweise erwerbsfähig ist, kann daneben auf Erwerbseinbußen als ehebedingter Nachteil abgestellt werden (Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08, FamRZ 2010, 926 Rn 29).

Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass der nach § 1578b Abs. 1 BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss (Senatsurteil vom 14.10.2009 – XII ZR 146/08, FamRZ 2009, 1990 Rn 14).

 

BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08 Rn 24

Beim Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB, bei dem die Krankheit selbst regelmäßig nicht ehebedingt ist, kann sich ein ehebedingter Nachteil nur daraus ergeben, dass ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hat und seine Erwerbsunfähigkeitsrente infolge der Ehe oder Kindererziehung geringer ist, als sie ohne die Ehe wäre (Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 – Tz. 34 und vom 27.5.2009 – XII ZR 111/08, FamRZ 2009, 1207 Tz. 36). Insoweit entsprechen sich der Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB und der Altersunterhalt nach § 1571 BGB. In beiden Fällen ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden. Ehebedingte Nachteile im Sinne von § 1578b BGB können also nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe bedingten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen (Senatsurteile vom 16.4.2008 – XII ZR 107/06, FamRZ 2008, 1325 Tz. 43 und vom 25.6.2008 – XII ZR 109/07, FamRZ 2008, 1508 Tz. 25).

c) Krankheit ist in der Regel nicht ehebedingt

aa) Krankheit allgemein

 

Rz. 86

Es gilt der Grundsatz: die Krankheit eines unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt keinen ehebedingten Nachteil dar.

 

BGH, Beschl. v. 14.5.2014 – XII ZB 301/12 Rn 28 = BeckRS 2014, 11505

Wird hingegen die Ehegestaltung für einen Erwerbsnachteil nicht ursächlich, so ist er nicht ehebedingt (Senatsbeschluss vom 13.3.2013 – XII ZB 650/11, FamRZ 2013, 935 Rn 36 m.w.N.). Erkrankungsbedingte Einkommensausfälle sind daher in aller Regel nicht ehebedingt, weil sie gerade nicht aus der ehelichen Rollenverteilung folgen (vgl. zu Einzelheiten Senatsbeschluss vom 19.6.2013 – XII ZB 309/11, FamRZ 2013, 1291 Rn 20 f.).

Krankheit als Schicksal

 

BGH, Urt. v. 17.2.2010 – XII ZR 140/08

Bei einer schweren Krankheit und der durch sie bedingten Erwerbsunfähigkeit handelt es sich in der Regel allerdings um eine schicksalhafte Entwicklung.

Unter ehebedingten Nachteilen sind vornehmlich Einbußen zu verstehen, die sich aus der Rollenverteilung in der Ehe ergeben, nicht dagegen solche, die aufgrund sonstiger persönlicher Umstände oder schicksalhafter...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge