Rz. 30

Mit dem Tod des Vollmachtgebers treten die Erben in seine Rechtsposition ein und sind daher grundsätzlich zum Widerruf der Vollmacht berechtigt. Neben dem mangelnden Wissen, wer Bevollmächtigter war, haben die Erben regelmäßig ein Zeitproblem, weil eine Legitimation z.B. in Form eines Erbscheins manchmal erst nach Monaten vorliegt und in dieser Zeit zum Schaden des Nachlasses weiter verfügt werden kann (siehe Rdn 60 ff.). Gleichwohl kann auch schon vor Erteilung des Erbscheins oder einer gleichrangigen Legitimation der Widerruf erklärt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Bevollmächtigten auch ohne besonderen Nachweis die Erbenstellung bekannt ist. Hat beispielsweise ein verwitweter Erblasser nur einen Sohn und kein Testament hinterlassen, wird seine bevollmächtigte Lebensgefährtin in Kenntnis dieser Umstände kaum die Erbenstellung des Sohnes bestreiten können. Wenngleich der BGH[20] die bisherigen AGB der Banken, wonach zur Legitimation der Erben grundsätzlich ein Erbschein verlangt werden konnte, für unwirksam erklärt, sind die Legitimationsanforderungen für einen Erben, der nicht verfügen, sondern "nur" Verfügungen verhindern will, in gleicher Weise gültig. Wer sich noch nicht legitimieren kann, hat das Nachsehen.[21]

 

Rz. 31

Ein allzu früher Widerruf der Vollmacht kann aber dann problematisch sein, wenn es dem Erblasser gerade auf den Fortbestand der Vollmacht über den Tod hinaus ankam, und er deshalb in der letztwilligen Verfügung entsprechende Druckmittel eingebaut hat. Ist in dem Testament z.B. eine auflösende Bedingung enthalten, wonach die Erbeinsetzung im Falle des Widerrufs endet, kann der Berater, der über dieses Risiko nicht vorher aufgeklärt hat, bei Widerruf vor Testamentseröffnung leicht in Erklärungsnöte (und in die Gefahr der Haftung) kommen.

1. Widerruf durch Alleinerben/Erbengemeinschaft

 

Rz. 32

Wer als Rechtsanwalt einen Alleinerben oder eine Erbengemeinschaft[22] vertritt, kann für den oder die Erben als Gesamtrechtsnachfolger gem. § 1922 BGB ohne rechtliche Probleme den Widerruf der Vollmacht erklären.[23]

 

Rz. 33

Es besteht allerdings das praktische Problem, dass die Erbenstellung meist nicht so schnell nachgewiesen werden kann wie der Erbe sich das wünscht. Gleichwohl kann der Erbe schon versuchen, den Widerruf auszusprechen, wie das nachfolgende Formulierungsbeispiel zeigt.

 

Rz. 34

Muster 2.3: Widerruf einer Bankvollmacht gegenüber dem Bevollmächtigten

 

Muster 2.3: Widerruf einer Bankvollmacht gegenüber dem Bevollmächtigten

Per Boten

Herrn _________________________

Widerruf der Vollmacht des Erblassers Herrn _________________________

Ausweislich beigefügter Vollmacht zeige ich die Vertretung von Herrn _________________________ an.

Mein Mandant ist Alleinerbe nach Herrn _________________________, der am _________________________ verstorben ist.

Seine Erbenstellung ergibt sich aus seinem handschriftlichem Testament vom _________________________, das in beglaubigter Kopie beigefügt ist. Das Original liegt dem Nachlassgericht _________________________ zur Eröffnung vor. Sofern Sie die Erbenstellung meines Mandanten anzweifeln, müsste umgehend eine Erbenfeststellungklage eingereicht werden, deren Kosten Sie zu tragen hätten.[24]

Hier ist bekannt geworden, dass der Erblasser Ihnen am _________________________ eine über sein Konto _________________________ bei der Sparkasse _________________________ eine Vollmacht über den Tod hinaus erteilt hat. Namens meines Mandanten, der gem. § 1922 BGB Rechtsnachfolger des Herrn _________________________ geworden ist,

widerrufe

ich hiermit diese und alle anderen eventuell erteilten Vollmachten.

Der Widerruf hat die Wirkung, dass Sie ab sofort keine Verfügungen mehr treffen dürfen, anderenfalls machen Sie sich schadensersatzpflichtig[25] und möglicherweise auch strafbar.

Ich darf Sie auffordern, mir bis zum _________________________ den Erhalt dieses Schreibens durch datierte Unterzeichnung und Rückgabe des beigefügten Schriftsatzdoppels zu bestätigen.

Rechtsanwalt

[22] Zur berufsrechtlichen Problematik vgl. Offermann-Burckart, ZEV 2007, 151 ff.
[23] Vgl. Grünenberg/Weidlich, § 1922 Rn 33.
[24] Es wird zugrunde gelegt, dass der Erbe bei den Unterlagen des Erblassers neben der Vollmacht auch ein Testament gefunden hat, das er zur Eröffnung beim AG eingereicht hat. Der Rechtsanwalt kann vorher Kopien anfertigen und diese beglaubigen. Einer öffentlichen Beglaubigung bedarf es nicht, da sie gegenüber dem Bevollmächtigten nur der Glaubhaftmachung dienen müssen.
[25] Dies ist untechnisch gemeint, "bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch" ist den meisten Laien nicht so eingängig.

2. Widerruf durch einen Miterben

 

Rz. 35

Erbengemeinschaften sind häufig Konfliktgemeinschaften, die auch in der Frage des Widerrufs einer Vollmacht zerstritten sein können. Dies gilt umso mehr, wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft Bevollmächtigter ist und sich erwartungsgemäß gegen die Absetzung wehrt.

Die nach wie vor überwiegend vertretene Auffassung[26] seit dem Reichsgericht[27] gibt jedem Miterben ein eigenes Wid...

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