a) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 91

Ein Bevollmächtigter kann für alle Angelegenheiten der Personensorge bestellt werden, die bei fehlender Vollmacht durch einen zu bestellenden Betreuer[148] besorgt werden müssten. Somit kann grundsätzlich ein Vertreter für alle Aufgabenbereiche bestellt werden, für die auch eine Betreuung möglich ist. Die Entscheidung des Bevollmächtigten ist dabei verbindlich.

Hinsichtlich der Feststellung und Durchsetzung des in der Patientenverfügung formulierten Willens der vertretenen Person sowie der bestehenden Genehmigungserfordernisse ist ein Bevollmächtigter einem Betreuer gleichgestellt, vgl. §§ 1827 Abs. 6, 1828 Abs. 3, 1829 Abs. 5, 1831 Abs. 5, 1832 Abs. 5 BGB (§§ 1901a Abs. 6, 1901b Abs. 3, 1904 Abs. 5, 1906 Abs. 5 und 1906a Abs. 5 BGB a.F.).

 

Rz. 92

Ist eine Person selbst noch entscheidungsfähig, kommt eine Stellvertretung durch Vollmacht im persönlichen Bereich nicht in Betracht. Die Vollmacht hat in diesem Fall noch keine Bedeutung, weil der Vollmachtgeber jeder einzelnen beeinträchtigenden Maßnahme widersprechen kann und sein Widerspruch vor der Entscheidung des Bevollmächtigten Vorrang hat.[149] Das Bedürfnis für eine Stellvertretung besteht nur für den Fall, dass der Vollmachtgeber zu einer eigenen Entscheidung nicht mehr in der Lage ist. Erst dann kann und soll der Bevollmächtigte im Rahmen einer Personensorge im engeren Sinn tätig werden. Die Bestellung eines Betreuers wäre zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht möglich, da der Betroffene in der gegenwärtigen Lebenssituation seine Angelegenheiten selbst besorgen kann.

 

Rz. 93

Eine exakte Differenzierung zwischen Befugnissen für den vermögensrechtlichen und persönlichen Bereich wird vielfach nicht möglich sein. Dies liegt insbesondere an den vielen Mischangelegenheiten, die beide Bereiche umschließen. So umfasst beispielsweise der Abschluss eines Behandlungsvertrages sowohl die Person des Vollmachtgebers als auch dessen Vermögen.

[148] Begründung, hinsichtlich des Umfangs des Aufgabenkreises eines Betreuers: BGH DNotZ, 212.
[149] OLG Stuttgart FamRZ 1994, 1417.

b) Entscheidungen über ärztliche Maßnahmen nach § 1829 BGB (§ 1904 BGB a.F.)

 

Rz. 94

Nach § 630d Abs. 1 S. 1 BGB muss vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme der Behandelnde die Einwilligung des Patienten einholen. Ist dieser einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung des hierzu Berechtigten einzuholen, § 630d Abs. 1 S. 2 BGB. Berechtigter kann der Bevollmächtigte sein. Dieser kann entscheiden, ob ärztliche Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe am Vollmachtgeber vorgenommen werden sollen oder nicht. Die Vollmachtsurkunde muss dabei die Maßnahmen nach § 1829 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB (§ 1904 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB a.F.) ausdrücklich mit umfassen (siehe Rdn 40 ff.).

Zu beachten ist insoweit, dass trotz einer wirksamen Bevollmächtigung die Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen ist, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet, § 1829 Abs. 1 und Abs. 2 BGB (§ 1904 Abs. 1 und 2 BGB a.F.). Im Gegensatz zu Abs. 1 muss die Maßnahme bei Abs. 2 medizinisch angezeigt sein.

Solche gefährlichen Maßnahmen können, abhängig vom Allgemeinzustand des Patienten, sein:

Untersuchungen, wie z.B. Bronchoskopie, Herzkatheterisierung, ERC (P);
operative Behandlungsmaßnahmen, wie z.B. Herzoperationen, Transplantationen, neurochirurgische Eingriffe und alle großen chirurgischen Eingriffe in den unterschiedlichen chirurgischen Fachgebieten;
nichtoperative Behandlungsmaßnahmen, wie z.B. Chemotherapie, Dauerbehandlung mit Psychopharmaka;
Abbruch der mit einer PEG-Magensonde ermöglichten künstlichen Ernährung.[150]

Ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Auf alle Fälle ist aber zuvor eine ärztliche Aufklärung erforderlich, § 630d Abs. 2 BGB.

Eine Patientenverfügung des Vollmachtgebers ist in diesem Zusammenhang von dem Bevollmächtigten immer zu berücksichtigen, diese geht auch dem Ehegattenvertretungsrecht vor. Denn nach § 1829 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 BGB (§ 1904 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 BGB a.F.) ist keine Genehmigung erforderlich, wenn zwischen Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1827 BGB (§ 1901a BGB a.F.) festgestellten Willen des Betroffenen – also dessen Anordnungen im Rahmen seiner Patientenverfügung oder dessen mutmaßlichem Willen – entspricht (zum Entscheidungsprozess über medizinische Maßnahmen siehe Rdn 106).

§ 1829 BGB gilt bei dem neu geschaffenen Ehegattenvertretungsrecht gem. § 1358 Abs. 6 BGB.

 

Rz. 95

Grundsätzlich kann ein Dritter auch dazu bevollmächtigt werden, über den Abbruch einer Heilbehandlung zu entscheiden, etwa ob lebenserhaltende Maßnahmen am betroffenen Vollmachtgeber, wie etwa künstliche Ernährung oder Beatmung, beendet werden sollen.[151]

 

Rz. 96

§ 1827 Abs. 3 BGB (§ 1901a Abs. 3 BGB a.F.) stellt ausdrücklich klar, dass der Patientenwil...

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