(a) Betriebshaftung gegenüber Insassen
(aa) Unfall bis 31.7.2002
Rz. 529
Auf die Rechts- und Haftungsänderungen durch das 2. Schadenrechtsänderungsgesetz[465] ist hinzuweisen. Nach Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB sind die geänderten Vorschriften nicht anzuwenden, soweit das schädigende Ereignis vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1.8.2002 eingetreten ist.[466] Altfälle sind weiter nach dem im Unfallzeitpunkt geltenden Recht abzuwickeln.
Rz. 530
Gegenüber mit dem Kfz beförderten Personen bestand für Unfälle bis zum 1.8.2002 ein Haftungsprivileg des Halters: Aus § 8a Abs. 1 S. 1 StVG a.F. folgte, dass die StVG-Haftung (nicht jedoch die Verschuldenshaftung nach § 823 BGB) gegenüber Insassen grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diese Privilegierung trug auch gegenüber den Rechtsnachfolgern eines Verletzten bzw. Getöteten.[467]
Rz. 531
Wurde Schadenersatz verlangt, setzte dieses eine Verschuldenshaftung des Fahrers/Halters voraus. Etwas Anderes galt zuvor nur für die entgeltliche, geschäftsmäßige Personenbeförderung, in deren Rahmen für die Verletzung oder Tötung eines beförderten Insassen der Halter verschuldensunabhängig nach § 7 StVG in den Grenzen des § 12 StVG einzustehen hatte.
(bb) Unfall ab 1.8.2002
Rz. 532
Die Neufassung der §§ 8, 8a StVG für Unfälle ab 1.8.2002 bezieht auch die unentgeltlich beförderten Mitfahrer in den schadenersatzrechtlichen Schutz durch das StVG mit ein und nimmt in § 8 Nr. 3 StVG nur die Beschädigung beförderter Sachen aus.
(b) Erweiterung der Gefährdungshaftung – Höhere Gewalt
Rz. 533
Die Schadenrechtsreform ersetzte in § 7 Abs. 2 StVG das "unabwendbare Ereignis" durch den Einwand der "höheren Gewalt".
Rz. 534
Die Ersatzpflicht des Fahrzeughalters ist nur noch ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. "Höhere Gewalt" bedeutet[468] ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, dass nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.
Rz. 535
Beispiel 2.2
Zwei Fahrzeuge (V und B) kollidieren im Gegenverkehr. Im Fahrzeug V sitzen neben dem Fahrer V dessen Ehefrau F und deren gemeinsame Kinder X und Y.
Der Unfall ist von B verschuldet. V trifft kein Verschulden, V kann aber den Einwand höherer Gewalt nicht erfolgreich bringen.
1. | Unfall bis 31.7.2002
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2. | Unfall ab 1.8.2002
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Rz. 536
Die Haftung kann außerhalb (§ 8a S. 1 StVG) der entgeltlichen, geschäftsmäßigen Personenbeförderung durch private Abrede abbedungen werden,[470] wobei eine wirksame Verzichtserklärung auch zugunsten des (für den Schädiger eintrittspflichtigen) Haftpflichtversicherers wirkt.[471] Für Minderjährige ist zu beachten, dass ein vertraglicher Haftungsausschluss oder eine Haftungsminderung der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter bedarf.[472]
Rz. 537
Eltern können nicht im Voraus ihre Haftung gegenüber ihren Kindern ausschließen. Siehe ergänzend zu den Konsequenzen elterlichen Fehlverhaltens Rdn 298 ff.
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