Rz. 37
Die vorgegebene Gesetzessystematik des Urheberrechtsgesetzes bedarf der Erläuterung und in manchen Punkten der Ergänzung. Ausgangspunkt der inhaltlichen Darstellung ist § 11 UrhG, der unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass der Inhalt des Urheberrechts sich als Zuordnung des Werkes zu seinem Urheber und zwar in den beiden Ausprägungen der geistigen und persönlichen Beziehung einerseits und in der Nutzung des Werkes andererseits versteht. Die darin zum Ausdruck kommende monistische Theorie[21] weist dem Urheber im Hinblick auf sein Werk ideelle und materielle Rechte als Einheit (Ulmer[22] spricht in diesem Zusammenhang von einem "einheitlichen Stamm") zu. Die damit einhergehenden Befugnisse sind dem Urheber als absolutes Recht zugewiesen und genießen als solche den Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG.[23]
Rz. 38
Der so verstandene Inhalt des Urheberrechts wird zunächst durch die Regelungen zu dem Urheberpersönlichkeitsrecht und zu den Verwertungsrechten konkretisiert, danach allerdings zugunsten der Allgemeinheit (Rezipienten) und der Werkvermittler bzw. der Medienwirtschaft inhaltlich begrenzt. Genau genommen geht es also nicht um den Inhalt der Urheberrechte und deren Schranken, sondern um inhaltliche Bestimmungen und Grenzziehungen der sich aus dem geschützten Werk ergebenden Befugnisse der Rechtssubjekte eines medialen Systems.
Rz. 39
Die Beschränkung der inhaltlichen Befugnisse der Urheber ist nicht lediglich als Folge einer allgemeinen Schrankentheorie wie etwa in der Grundrechtsdogmatik entwickelt, sondern als Ausdruck des funktionalen Verständnisses und der daraus folgenden "Bewegungen" zwischen den einzelnen Elementen, und zwar
▪ | Werk (bzw. Werkstück), |
▪ | Urheber, |
▪ | Werkvermittler/Medienwirtschaft (vielfach als "Verwerter" bezeichnet) und |
▪ | Rezipienten |
anzusehen. Wenn es also heißt, dass ohne die Zustimmung des Urhebers ein neues, selbstständiges Werk in freier Benutzung[24] und als Anlehnung an ein bisher bestehendes Werk geschaffen werden kann (gem. § 23 UrhG), so ist dieser Befund Ausdruck zweier gegenläufiger Strömungen, die zwischen Urheber und Rezipienten in beiden Richtungen ablaufen. Anders ausgedrückt ist jeder Rezipient auch potenzieller Urheber, der sich bewusst oder unbewusst an bestehende Werke anlehnt, ein zunächst in seiner Vorstellung bestehendes neues Werk abbildet, das durch Medien nach außen hin transportiert wird, damit aber auch wiederum den ursprünglichen Inhaber dieses Rechts am Werk in die Rolle des Betrachters, des Rezipienten, drängt.
Rz. 40
Aus einer anderen Sichtweise kann also das dem Urheber zugewiesene "Monopolrecht"[25] nicht soweit gehen, dass anlehnende Neuschöpfungen verhindert werden. So ist die hinter dem Werk stehende Idee, unstreitig bei wissenschaftlichen Werken,[26] nicht zufällig – auch nicht im Hinblick auf die Forschungsfreiheit – dem Urheberrechtsschutz entzogen, sondern Ausdruck der Systematik des Urheberrechtsgesetzes selbst. Es muss deshalb zumindest missverständlich erscheinen, wenn Schricker[27] auch Werbeideen scheinbar im Gegensatz zu solchen der Forschung und Entwicklung dem Urheberrechtsschutz unterstellen will. Geschützt wird weder das "Gesamtwerk" noch das "Lebenswerk" eines Künstlers,[28] sondern alleine die durch ein Medium zum Ausdruck gebrachte Idee, allerdings auch nur in diesem Umfange. Alles darüber Hinausgehende ist somit grundsätzlich gemeinfrei und allenfalls durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Künstlers geschützt.[29]
Rz. 41
Nur dieser richtig verstandene Schutzumfang des Urheberrechts ermöglicht die aufgezeigten gegenläufigen Bewegungen zwischen Urheber und Öffentlichkeit, die ihrerseits überhaupt Raum für Neuschöpfungen belassen.
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