Rz. 2

Das Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB regelt die zivilrechtliche Schadenshaftung außerhalb bestehender Schuldverhältnisse. Die Haftung betrifft überwiegend Tatbestände schuldhafter Schadensverursachung (§ 823 Abs. 1 und Abs. 2, § 826 BGB), wobei das Verschulden zum Teil vermutet wird (z.B. §§ 834, 836 BGB). § 832 BGB enthält einen besonderen Vermutungstatbestand (Haftung des Aufsichtspflichtigen). § 833 S. 1 BGB regelt einen Fall der Gefährdungshaftung (Haftung des Halters eines Luxustiers). Die aufgrund der §§ 823 ff. BGB bestehenden Ansprüche werden in Unfallhaftungssachen vielfach nicht von dem persönlich Geschädigten, sondern im Wege des Regresses von eintrittspflichtigen Versicherern geltend gemacht. Denn für zahlreiche Schäden besteht zugunsten des Geschädigten Schutz durch gesetzliche und private Versicherungen (vgl. unten Rdn 242 ff.). Auch der Schädiger ist vielfach gegen das Haftungsrisiko aufgrund von ihm zu verantwortender Schadensfälle versichert. Soweit ein Direktanspruch besteht (§ 115 VVG) wird in der Regel (auch) der Versicherer des Schädigers in Anspruch genommen.

 

Rz. 3

Die allgemeinen Regeln des Schuldrechts, vor allem auch die Zurechnungsnorm des § 278 BGB, finden zunächst keine Anwendung. Erst durch die Schädigung eines Dritten entsteht zu diesem ein gesetzliches Schuldverhältnis, das im weiteren Verlauf den allgemeinen Bestimmungen des Schuldrechts unterliegt; insbesondere findet nun § 278 BGB Anwendung. Deshalb muss sich z.B. auch ein geschädigtes Kind das Mitverschulden seines gesetzlichen Vertreters an einem Unfall gemäß §§ 254 Abs. 1, 278 BGB nur im Rahmen eines schon im Augenblick des Unfalls bestehenden Schuldverhältnisses oder eines einem Schuldverhältnis ähnlichen Sonderrechtsverhältnisses zum Schädiger zurechnen lassen.[1] Ebenso muss sich ein bereits Geschädigter erst im Rahmen seiner Obliegenheiten gemäß § 254 Abs. 2 BGB zur Minderung des Schadens ein Verschulden dritter Personen nach § 278 BGB zurechnen lassen. Dazu muss aber die unerlaubte Handlung des Schädigers die Schadensentwicklung schon auf den Weg gebracht haben, d.h. der Verletzungstatbestand muss bereits verwirklicht sein.[2] Andernfalls würde nicht nur die Beschränkung der Einstandspflicht des Geschädigten für ein Verschulden Dritter nach § 278 BGB auf Sonderrechtsverhältnisse gegenstandslos werden, sondern der Geschädigte stünde auch schlechter da als der Schädiger, weil dieser im Bereich der Schadensentstehung für Dritte grundsätzlich nur nach § 831 BGB deliktisch einzustehen hat.[3] Für das widerrechtliche, auch schuldlose Verhalten einer Hilfsperson wird deshalb nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 831 Abs. 1 BGB gehaftet, und zwar letztlich für – eigenes – vermutetes Verschulden des Geschäftsherrn bei Auswahl, Überwachung und Leitung der Hilfsperson oder bei der Beschaffung der erforderlichen Vorrichtungen oder Gerätschaften.

 

Rz. 4

§ 823 Abs. 1 BGB setzt die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung bestimmter absoluter Rechte voraus, nämlich die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit, des Eigentums oder eines sonstigen absoluten Rechts (insbesondere auch Persönlichkeitsrecht, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb). Eine umfassende Generalklausel für die Deliktshaftung gibt es im deutschen Recht nicht (anders z.B. im französischen Recht). Deshalb ist das Vermögen als solches nicht geschützt. Allerdings werden Vermögensschäden ersetzt, wenn sie als Folge einer Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte und Rechtsgüter eingetreten sind und ihr Ausgleich vom Schutzbereich der Vorschrift erfasst ist.

 

Rz. 5

§ 823 Abs. 2 BGB setzt den Verstoß gegen ein Schutzgesetz voraus. Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das infrage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Deshalb reicht es nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen.[4]

 

Rz. 6

Das Schutzgesetz kann im Einzelfall auch den Schutz des Vermögens bezwecken.[5] Voraussetzung für einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB ist aber stets, dass der konkrete Schaden aus der Verletzung eines Rechtsguts entstanden ist, zu dessen Schutz die Rechtsnorm erlassen wurde. Deshalb kann eine Norm etwa Schutzgesetz im Hinblick auf Gesundheit ...

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