Rz. 311

Die Gemeinden haben nach Landesrecht meistens die Möglichkeit, die Reinigung einschließlich der Räum- und Streupflicht für Gehwege auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke abzuwälzen.[744] Die Satzung muss hinreichend bestimmt und eindeutig sein und den Umfang der abgewälzten Pflichten genau umschreiben. Unklarheiten gehen zulasten des originär Verkehrssicherungspflichtigen.[745] Eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst muss nach dem Grundsatz gesetzeskonformer Auslegung regelmäßig so verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen. Die Gemeinde kann auch keine Räum- und Streupflichten für Anlieger begründen, die über die Anforderungen der sie selbst treffenden (allgemeinen) Verkehrssicherungspflicht hinausgehen.[746] Der Geschädigte kann sich auf die Verletzung der in der Satzung statuierten Pflichten berufen.[747] Überträgt die Gemeinde durch eine Satzung die Räum- und Streupflicht auf die Anlieger, so stellen die Satzungsbestimmungen Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.[748] Kommt es zu Pflichtversäumnissen der Anlieger, weil die Abwälzungsklauseln nicht klar und eindeutig genug formuliert sind, ist eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Geschädigten zu bejahen, etwa wenn in einer Satzung nicht erwähnt ist, dass bei einem fehlenden Bürgersteig ein 1,5 m breiter Streifen am Fahrbahnrand zu räumen und zu streuen ist.[749] Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Abwälzung der Streupflicht auch aus Gewohnheitsrecht hergeleitet werden.[750] In Nordrhein-Westfalen können die Gemeinden den Anliegern öffentlicher Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften die Winterwartung auch für die Fahrbahnen übertragen.[751]

[744] BGH, Urt. v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83, NJW 1985, 484; OLG Köln, Urt. v. 27.8.1992 – 7 U 39/92, VersR 1993, 1286; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.6.1995 – 18 U 179/94, VersR 1996, 79.
[745] OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.4.1992 – 18 U 218/91, VersR 1993, 577.
[747] OLG Bamberg, VersR 1956, 324, 325.
[748] BGH, Urt. v. 19.5.1958 – III ZR 211/56, BGHZ 27, 278 (283); OLG Celle, Urt. v. 6.8.1997 – 9 U 15/97, VersR 1998, 604; OLG Naumburg, Urt. v. 6.10.1999 – 12 U 144/99, MDR 2000, 520.
[749] OLG Köln, Urt. v. 26.11.1987 – 7 U 2/87, VersR 1988, 827.
[750] BGH, Urt. v. 10.12.1962 – III ZR 147/61, BB 1964, 60; BGH, Urt. v. 21.1.1969 – VI ZR 208/67, VersR 1969, 377 (378).

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