Rz. 148

Das Berufungsurteil hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

Dabei konnte offenbleiben, ob das Berufungsgericht allein aufgrund des vorprozessual eingeholten Privatgutachtens von der Verkehrssicherheit des klägerischen Fahrzeugs auch in unrepariertem Zustand ausgehen durfte oder ob es, wie die Revision mit der Verfahrensrüge geltend machte, von seinem Rechtsstandpunkt aus zu dieser Frage den von der Klägerin in den Instanzen angebotenen Sachverständigenbeweis hätte erheben müssen. Denn selbst wenn in der unterlassenen Beweiserhebung ein Rechtsfehler läge, stellte sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

 

Rz. 149

Der Klägerin stünde nämlich auch dann kein Anspruch auf Erstattung der auf die Teilreparatur angefallenen Umsatzsteuer in Höhe von 846,38 EUR zu, wenn die erfolgte Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrs- und Betriebssicherheit des klägerischen Fahrzeugs erforderlich gewesen sein sollte. Da die Klägerin den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt hat und nicht zu einer konkreten Berechnung ihres Schadens auf der Grundlage der durchgeführten Reparatur übergegangen ist, kann sie nicht den Ersatz der im Rahmen der Teilreparatur angefallenen Umsatzsteuer verlangen. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

 

Rz. 150

Die unterschiedlichen Abrechnungsarten dürfen nicht miteinander vermengt werden. So ist insbesondere eine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung unzulässig. Hierdurch soll nicht nur verhindert werden, dass sich der Geschädigte unter Missachtung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots die ihm vorteilhaften Elemente der jeweiligen Berechnungsart aussucht ("Rosinenpicken"), sondern auch den unterschiedlichen Grundlagen der jeweiligen Abrechnung Rechnung getragen und deren innere Kohärenz sichergestellt werden (Senatsurt. v. 12.10.2021 – VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn 18 m.w.N.).

 

Rz. 151

So knüpft die konkrete Schadensabrechnung an eine tatsächlich durchgeführte Reparatur oder Ersatzbeschaffung an und zielt auf Ersatz der hierfür konkret angefallenen Kosten ab. Demgegenüber ist bei der fiktiven Abrechnung der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der aufgrund seiner Dispositionsfreiheit in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei und deshalb nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Schadensberechnung auf einer abstrahierten Grundlage zufriedengibt (Senatsurt. v. 12.10.2021 – VI ZR 513/19, NJW 2022, 543 Rn 19 m.w.N.).

 

Rz. 152

Dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten entsteht durch das Vermischungsverbot kein Nachteil. Auch wenn er seinen Fahrzeugschaden zunächst fiktiv abgerechnet hat, kann er später – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung – grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen.

Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht beanspruchen. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – im Rahmen einer durchgeführten Reparatur tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

 

Rz. 153

Die Umsatzsteuer bleibt nicht nur dann fiktiv in diesem Sinne, wenn es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung kommt; sie bleibt es vielmehr auch dann, wenn der Geschädigte zwar tatsächlich eine Restitutionsmaßnahme veranlasst, diese Maßnahme aber nicht zur Grundlage seiner Abrechnung macht, sondern seinen Schaden fiktiv und damit ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnet.

 

Rz. 154

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem mit der Einführung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB verfolgten Zweck. Durch die gesetzliche Regelung wollte der Gesetzgeber zwar nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes tatsächlich angefallen ist (vgl. BT-Drucks 14/7752, 13 f., 23 f.). Diese Möglichkeit wird dem Geschädigten durch das Vermischungsverbot aber nicht genommen. Wie oben ausgeführt bleibt es dem Geschädigten unbenommen, seinen Schaden konkret abzurechnen oder, wenn er ihn zunächst fiktiv abgerechnet hat, – im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung – zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage der tatsächlich veranlassten Restitutionsmaßnahme überzugehen. Nur dann ist die Umsatzsteuer für den Geschädigten "auf dem von ihm gewählten Weg" (BT-Drucks 14/7752 S. 23 f.) der Schadensbeseitigun...

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