Rz. 78

Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wobei Anrechnungsvorschriften nicht anzuwenden sind (§ 15 Abs. 5 S. 2 RVG). Der Gesetzgeber trägt bei dieser Regelung dem Umstand Rechnung, dass sich der RA nach einem Zeitablauf von mehr als zwei Kalenderjahren nahezu neu in den Vorgang einarbeiten muss.

Bei der Bemessung des Zeitpunkts der "Erledigung" ist auf die Fälligkeit der Vergütung der abgeschlossenen Beauftragung i.S.v. § 15 Abs. 1 und 4 RVG i.V.m. § 8 Abs. 1 RVG abzustellen.

Aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ergibt sich, dass nicht Jahre, sondern Kalenderjahre zu berücksichtigen sind.

 

Rz. 79

 

Beispiel

Der RA wird vom Gläubiger mit der außergerichtlichen Durchsetzung seiner im Januar 2013 entstandenen Forderung gegen den Schuldner am 31.3.2013 beauftragt. Während der vorgerichtlichen Tätigkeit ist der Schuldner unter dem bekannten Wohnort nicht mehr anzutreffen und eine neue Anschrift kann nicht ermittelt werden. Der Gläubiger scheut die Prozesskosten und wünscht keine Zahlungsklage mit öffentlicher Zustellung und es verbleibt bei der außergerichtlichen Tätigkeit. Der Gläubiger bittet den RA im November 2013, die Sache abzuschließen. Durch Zufall erfährt der Gläubiger im Februar 2016 von dem aktuellen Wohnsitz des Schuldners und beauftragt den gleichen RA mit der außergerichtlichen Geltendmachung desselben Anspruchs.

 

Rz. 80

Da zwischen Erledigung des ersten Auftrages im November 2013 und neuer Aufnahme der Tätigkeit im Februar 2016 die Kalenderjahre 2014 und 2015 liegen, begründet die Interessenvertretung des Gläubigers in 2016 eine neue Angelegenheit, was zur Folge hat, dass der RA sowohl die Geschäftsgebühr als auch die Auslagen zweimal beanspruchen kann. Zu diesem Zeitpunkt war die verfolgte Forderung auch noch nicht verjährt. Aus betriebswirtschaftlicher Hinsicht kann es deshalb sinnvoll sein, solche Fälle seitens des RA wieder aufzurufen, d.h. den Mandanten aktiv anzufragen, ob ein erneuter Beitreibungsversuch unternommen werden soll.

 

Rz. 81

 

Beispiel

Gleicher Ausgangsfall wie zuvor, nur mit der Änderung, dass der Gläubiger bei Neubeauftragung im Februar 2016 den RA bittet, nicht mehr vorgerichtlich tätig zu werden, sondern unmittelbar Antrag auf Erlass des Mahnbescheides zu stellen, damit der Anspruch schnellstmöglich verjährungssicher festgestellt wird, bevor der Schuldner wieder abtaucht.

 

Rz. 82

Wegen § 15 Abs. 5 S. 2 RVG hat der RA die Anrechnungsvorschrift gem. Teil 3, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nicht anzuwenden, die besagt, dass, wenn wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens in Höhe von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Der RA hat daher neben der bereits früher verdienten Geschäftsgebühr Anspruch auf die ungeschmälerte Verfahrensgebühr gem. Nr. 3305 VV RVG (1,0) für die Beantragung des Mahnbescheides.

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