Rz. 76

BGH, Urt. v. 25.10.2005 – VI ZR 334/04, VersR 2006, 221

Zitat

SGB VII §§ 8 Abs. 1, 2 Nr. 1 bis 4, 105 Abs. 1 S. 3, 104 Abs. 3; SGB X § 116

a) Nach §§ 104 Abs. 1 S. 2, 105 Abs. 1 S. 3 SGB VII verbleiben beim Geschädigten die Ansprüche gegen den ihn schädigenden Unternehmer bzw. Mitbeschäftigten, die wegen vorsätzlicher Schädigung oder wegen eines Schadensfalles auf einem versicherten Weg i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII von der Haftungsbeschränkung nicht erfasst werden.
b) Maßgebend für die Abgrenzung eines Arbeitsunfalls auf einem Betriebsweg i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII von einem Unfall auf einem versicherten Weg i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII ist nicht allein, wo sich der Unfall ereignet hat, sondern auch, inwieweit er mit dem Betrieb und der Tätigkeit des Versicherten zusammenhängt und ob er Ausdruck der betrieblichen Verbindung zwischen ihm und dem Unternehmen ist, deretwegen das Haftungsprivileg nach § 105 SGB VII besteht. Hingegen ist für die Einordnung als Betriebsweg letztlich nicht entscheidend, ob die Örtlichkeit der Organisation des Arbeitgebers unterliegt.

1. Der Fall

 

Rz. 77

Die Klägerin, eine Berufsgenossenschaft, verlangte von der Beklagten, einem Kfz-Haftpflichtversicherer, die Erstattung von Aufwendungen, die ihr aus Anlass eines Verkehrsunfalls entstanden sind. Sara H., die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten unfallbeteiligten Fahrzeugs, und die Geschädigte Ursula N. waren Arbeitskolleginnen. Sie verrichteten seit mehreren Jahren Reinigungsarbeiten in einem Hotel, das außerhalb des Firmensitzes ihrer Arbeitgeberin, einer Gebäudereinigungsfirma, gelegen ist. Am 10.7.2001 gegen 13.00 Uhr hatten beide Arbeitskolleginnen das Hotel verlassen, um die Heimfahrt anzutreten. Sie begaben sich mit weiteren Mitarbeiterinnen zum Personalparkplatz des Hotels, der auch von den Reinigungskräften zum Abstellen ihrer Fahrzeuge benutzt wurde. Beim Rückwärtsausparken fuhr Sara H. mit dem auf ihren Vater zugelassenen Pkw Ursula N. an. Diese wurde erheblich verletzt. Die Klägerin erbrachte zum Ausgleich des Personenschadens der Geschädigten Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 37.113,60 EUR. Die auf Ersatz dieser Zahlungen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihren Anspruch weiter.

2. Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 78

Das Berufungsgericht war der Auffassung, ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte infolge gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X i.V.m. den §§ 823 BGB, 7 ff., 18 StVG, 3 Nr. 1 PflichtVersG bestehe nicht. Die Schädigerin Sara H. sei nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von der Haftung befreit, da sich der Unfall als Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII und nicht auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg ereignet habe. Nach den aufgrund der gerichtlichen Augenscheinseinnahme getroffenen tatsächlichen Feststellungen gehöre der Parkplatz eindeutig zum Betriebsgelände des Hotels. Er sei nur über einen von der öffentlichen Straße aufwärts führenden Weg zugänglich, der im oberen Bereich für die Allgemeinheit durch eine Beschilderung mit dem Zeichen 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) gesperrt sei. Dort befinde sich der Parkplatz, auf dem sich der Unfall ereignet habe. Bei – wie hier – "ausgelagerten" Tätigkeiten von Arbeitnehmern auf Arbeitsplätze außerhalb des Sitzes ihres Arbeitgebers sei auf die konkreten Verhältnisse an der auswärtigen Arbeitsstätte abzustellen. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn die unfallbeteiligten Arbeitnehmer schon jahrelang – wie hier – im Bereich des "ausgelagerten" Hotelbetriebs zum Einsatz gekommen seien. Der Hotelbetrieb sei für die Unfallbeteiligten zur Betriebsstätte geworden, so dass auf dessen räumliche und örtliche Verhältnisse bei der Frage der Haftungsbefreiung gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII abzustellen sei. Es könne letztlich dahinstehen, ob der ausreichend große und mit einem eigenen Personaleingang versehene Parkplatz, der den Hotelangestellten zur Verfügung stehe, auch von den Arbeitnehmerinnen der Gebäudereinigungsfirma genutzt werden durfte. Entscheidend sei, dass nach der tatsächlichen Übung unstreitig die Reinigungskräfte der Gebäudereinigungsfirma stets dort geparkt haben.

 

Rz. 79

Wegen der Abgrenzung zwischen einem Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII und einem versicherten Weg i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII hatte das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

 

Rz. 80

Die Revision hatte keinen Erfolg. Allerdings kam es auf die Frage, ob es sich nach den tatsächlichen Umständen des Streitfalls um einen Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 SGB VII oder um einen Unfall auf einem versicherten Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII handelt (vgl. hierzu BAG, VersR 2005, 1439 ff.), nicht an.

 

Rz. 81

Jedenfalls war ein versicherter Weg i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII gegeben. Mangels eines Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 1 SGB X stünde der Klägerin der von ihr g...

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