Rz. 81

Damit der Nachlasspfleger sich zunächst einen Überblick über die Aktiva und Passiva verschaffen kann, gesteht ihm das Gesetz sog. Schonungseinreden zu, mit denen er die Gläubiger zunächst "vertrösten" kann

 

Rz. 82

Der Nachlasspfleger ist zunächst berechtigt, die Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit zu verweigern, sofern von dem Zeitpunkt seiner Bestellung (Bekanntmachung des Bestellungsbeschlusses) drei Monate noch nicht vergangen sind (§§ 2014, 2017 BGB – Dreimonatseinrede). Die Verweigerung der Berichtigung der Nachlassverbindlichkeit bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass der Gläubiger nicht berechtigt wäre, Klage gegen die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, zu erheben. Dies steht dem Gläubiger frei. Den Erben ist lediglich im Urteil, ohne förmlichen Antrag, die Beschränkung der Haftung vorbehalten (§ 305 Abs. 1 ZPO).

 

Rz. 83

 

Praxistipp

Nach Ansicht des OLG Schleswig[23] hat ein Gläubiger sein Forderungsbegehren sogar bis zum Abschluss der Erbenermittlung zurückzustellen. Dieser Einzelfallentscheidung dürfte nicht zu folgen sein. Dennoch kann ein Hinweis auf diese Entscheidung dem Nachlasspfleger bei einem momentan illiquiden Nachlass die nötige Ruhe für eine Abwicklung schaffen.

 

Rz. 84

Wird ein Aufgebotsverfahren nach § 1970 BGB innerhalb eines Jahres ab Bestellung des Nachlasspflegers beantragt, kann der Nachlasspfleger die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten sogar bis zum Ende des Verfahrens verweigern (§§ 2015, 2017 BGB – Einrede des Aufgebotsverfahrens).

 

Rz. 85

Die Dreimonatseinrede und die Einrede des Aufgebotsverfahrens wirken nicht als materiellrechtliches Leistungsverweigerungsrecht. Der Nachlasspfleger kommt daher trotz Einreden in Verzug (Verzugszinsen/Verzugsschaden). Die Einreden haben aber entscheidende prozessuale und vollstreckungsrechtliche Wirkungen: Im Prozess führen die Einreden zu einer Verurteilung unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (vgl. §§ 305 Abs. 1, 780 ZPO). Die Zwangsvollstreckung darf dann während der Einredezeit lediglich noch zur Sicherung, nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen (vgl. §§ 782, 783, 785 ZPO). Dem Nachlasspfleger ist es so sogar möglich, eine Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Nachlassimmobilien bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens aufheben zu lassen.[24]

[24] H.M.: Musielak/Lackmann, ZPO, § 782 Rn 2.

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