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Auch neue oder geänderte Rechtsnormen, die für den konkreten Mandatsgegenstand gelten, hat der Rechtsanwalt zu ermitteln.[324] Dies kann mithilfe der Gesetzblätter des Bundes und der Länder geschehen; zur Beseitigung von Unklarheiten und Zweifeln kann die amtliche Gesetzesbegründung beitragen. Zu beachten sind selbstverständlich auch die jeweiligen Übergangsvorschriften, die – außerhalb des Änderungsgesetzes – teilweise nicht einfach auffindbar und manchmal schwer verständlich sind.[325]

Zur Kenntnisnahme von allgemeinen Rechtsänderungen (auch der Rechtsprechung; vgl. Rdn 81) ist dem Rechtsanwalt oder Steuerberater grds. ein "realistischer Toleranzzeitraum", also eine der Sachlage angemessene Zeitspanne, zuzubilligen.[326] Dieser Zeitraum kann kürzer sein, wenn die Rechtsänderung einen eilbedürftigen Auftrag oder grundlegende Rechtsfragen der täglichen Arbeit betrifft, z.B. wenn der Rechtsberater ein Rechtsmittel einzulegen hat und aus der Fachpresse bekannt ist, dass gerade das Rechtsmittelrecht geändert wurde. Dann kann sich der Anwalt nicht darauf berufen, vor zwei Wochen habe die Beschwerde noch bei einem anderen Gericht als jetzt eingelegt werden können oder es habe noch eine längere Frist gegolten.[327] Insb. im Steuerrecht gehen Gesetzesänderungen häufig öffentliche Diskussionen voraus, etwa weil bestimmten – vermeintlichen oder echten – Missständen abgeholfen werden soll. Dies macht häufig schnelle Reaktionen der Betroffenen noch vor oder unmittelbar nach Inkrafttreten solcher Gesetzesänderungen erforderlich. Ein deshalb aufgesuchter Rechtsberater kann sich dann später, wenn er das Mandat angenommen hatte, nicht darauf berufen, er habe diese Änderungen noch nicht kennen müssen.

[324] Vgl. BGH, NJW 1971, 1704; BGH, VersR 1972, 766; BGH, VersR 1972, 1024; BGH, VersR 1978, 653; BGH, NJW 1978, 1486.
[325] Vgl. z.B. zu einem Fall nahezu unverständlicher Übergangsvorschriften BGH, 14.7.2016 – IX ZB 46/14, ZIP 2016, 1601.
[326] BGH, WM 2000, 2431, 2435 = NJW 2001, 675, 678, für die Ermittlung der einschlägigen Rspr.; vgl. RGZ 115, 185, 187; BGH, MDR 1958, 496, 497; BGH, NJW 1971, 1704; Vollkommer/Greger/Heinemann, § 11 Rn 28.
[327] Vgl. BGH, VersR 1972, 766; BGH, VersR 1972, 1024.

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