Rz. 174

Ein Rechtsanwalt hat vor Ablauf der Verjährungsfrist Vorkehrungen zu treffen, damit es nicht zur Verjährung kommt (vgl. Rdn 30). Diese Pflicht setzt wesentlich früher ein als der Eintritt der Verjährung selbst. Ein Rechtsanwalt, der von seinem Mandanten beauftragt wird, dessen Rechte ggü. einem säumigen Schuldner wahrzunehmen, ist aufgrund des Anwaltsvertrags verpflichtet, Vorkehrungen gegen eine drohende Verjährung spätestens dann einzuleiten, wenn er Dispositionen trifft, die das Risiko der Verjährung erhöhen.[734] So entsteht diese Verpflichtung i.d.R., wenn der Rechtsanwalt lediglich eine Teilklage erhebt, für den nicht anhängig gemachten Teil der Forderung.[735] Auch wenn ein Rechtsanwalt von seinem Mandanten beauftragt wird, seine Rechte ggü. einer Vielzahl von Schuldnern wahrzunehmen, und sich dazu entschließt, zunächst nur "Musterprozesse" gegen einzelne Schuldner zu führen, hat er Vorkehrungen zu treffen, dass die Ansprüche gegen die übrigen Schuldner nicht verjähren.[736]

 

Rz. 175

Die Pflicht, Vorkehrungen gegen eine drohende Verjährung zu treffen, kann auch nach risikoerhöhenden Unterlassungen des Rechtsanwalts eingreifen. Nimmt ein Rechtsanwalt den Auftrag, eine Forderung einzuziehen, nur gut ein halbes Jahr vor deren Verjährung an, so verletzt er seine Pflicht, solche Vorkehrungen zu treffen, jedenfalls dadurch, dass er fast die Hälfte der Zeit untätig bleibt. Dann darf der Rechtsanwalt die Angelegenheit nach einer ersten Zahlungsaufforderung nicht für mehr als einen Monat auf Frist legen. Nach fruchtlosem Fristablauf wird erwartet, dass der Rechtsanwalt Maßnahmen einleitet, um die Verjährung zu hemmen.[737]

 

Rz. 176

Ein Rechtsanwalt, der der Pflicht zu vorbeugenden Maßnahmen nicht gerecht geworden ist, kann sich i.d.R. nicht darauf berufen, dass das Mandat vor Eintritt der Verjährung beendet worden ist und danach eine Hemmung der Verjährung noch möglich gewesen wäre, aber nicht stattgefunden hat. Vielmehr kann der Rechtsanwalt auch nach Beendigung des Mandats noch verpflichtet sein, den ehemaligen Mandanten auf eine drohende Verjährung hinzuweisen und ihn über die Folgen nicht rechtzeitiger verjährungshemmender Maßnahmen aufzuklären. (Allgemein zu den nachvertraglichen Pflichten eines Rechtsanwalts siehe § 1 Rdn 229–241.)

[734] BGH, NJW 1993, 1779, 1780; BGH, NJW 1997, 1302; BGH, WM 2002, 505, 507; vgl. auch BGH, VersR 1971, 1119, 1122.
[735] RGZ 115, 185 ff.; BGH, NJW 1993, 1779, 1780.
[736] BGH, NJW 1993, 1779, 1780.
[737] BGH, NJW 1997, 1302.

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