Rz. 290

Von dem Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO ausgenommen ist auch die Zwangsvollstreckung durch einen Gläubiger aufgrund eines Deliktsanspruchs in den Teil der Bezüge, der nach den § 850d ZPO für diese (privilegierten) Gläubiger erweitert pfändbar ist und nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 89 Abs. 2 S. 2 InsO), sog. Vorrechtsbereich.

 

Rz. 291

Mit einer Deliktsforderung aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung ist der Gläubiger ein Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO).[422] Er unterliegt mit dieser Forderung den allgemeinen Vollstreckungsverboten. Gem. § 201 Abs. 2 InsO kann der Gläubiger aus einer in der Insolvenztabelle festgestellten Forderung, die vom Schuldner im Prüftermin nicht bestritten worden ist, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung wie aus einem vollstreckbaren Urteil betreiben. Die Rechtskraft der Feststellung zur Tabelle erstreckt sich dabei auch auf den Nachweis i.S.d. § 850f Abs. 2 ZPO, weswegen der Tabellenauszug – anders als der Vollstreckungsbescheid – ein Titel mit dem Vollstreckungsprivileg nach § 850f Abs. 2 ZPO darstellt.[423]

 

Rz. 292

Eine Pfändung, die zeitlich vor Insolvenzeröffnung erfolgt ist, bleibt in den Vorrechtsbereich wirksam. Gleichermaßen gilt dies auch für Pfändungen im Eröffnungsverfahren nach Zulassung des Insolvenzantrages und trotz Erlass eines Vollstreckungsverbots nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Dieses (vorläufige) Vollstreckungsverbot kann keine weiter gehende Wirkung entfalten, als das (endgültige) Verbot nach Eröffnung des Verfahrens (§ 89 Abs. 1 InsO). Die Ausnahme der privilegierten Pfändung gilt daher auch in der Eröffnungsphase. Kein Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass es sich um ein Unternehmens- oder Verbraucherinsolvenzverfahren handelt, sofern es sich um eine natürliche Person als Schuldner handelt.[424]

[422] BGH v. 6.2.2014 – IX ZB 57/12, NJW-RR 2014, 1079 = Rpfleger 2014, 333; BGH v. 20.12.2007 – IX ZB 280/04, FamRZ 2008, 684; BGH v. 15.11.2007 – IX ZB 4/06, ZInsO 2008, 39.
[423] LG Essen v. 7.4.2017 – 10 T 103/17, BeckRS 2017, 121026; a.A. LG Koblenz v. 6.11.2017 – 2 T 723/17, JurBüro 2018, 162.
[424] Hintzen, Kölner Schrift zur InsO, S. 1107 ff.

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