Rz. 120
Wird ein Interessenausgleich mit Namensliste eingereicht, so muss Letztere konstitutiver Bestandteil des Interessenausgleichs sein.
Rz. 121
Beispiel
Dafür genügt der einseitige Hinweis im Interessenausgleich auf eine "Anlage 1" nicht, ebenso wenig die Verwahrung in einer Plastikhülle innerhalb eines Ordners, weil die Namensliste unter solchen Umständen problemlos ausgetauscht werden könnte. Vielmehr ist eine – grundsätzlich vor Unterzeichnung herzustellende[103] – feste Verbindung der Namensliste mit dem Interessenausgleich erforderlich.[104]
Rz. 122
Das Schriftformerfordernis ist nach der Rechtsprechung des BAG jedoch nicht allein deshalb verletzt, weil die Namensliste nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist. Auch § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG spricht zwar davon, die namentliche Bezeichnung müsse "in einem Interessenausgleich" erfolgen. Das Erfordernis ist aber erfüllt, wenn Interessenausgleich und Namensliste eine einheitliche Urkunde bilden.[105]
Rz. 123
Wird die Namensliste getrennt vom Interessenausgleich erstellt, reicht es aus, wenn sie von den Betriebsparteien unterzeichnet ist und in ihr auf den Interessenausgleich oder im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen ist.[106]
Rz. 124
Hinweis
Aber auch dann, wenn die Namensliste selbst nicht unterschrieben ist, kann die Unterschrift unter dem Interessenausgleich die Namensliste noch als Teil des Interessenausgleichs decken. Ausreichend ist es jedenfalls, wenn die Haupturkunde unterschrieben, in ihr auf die nicht unterschriebene Anlage ausdrücklich Bezug genommen ist und Haupturkunde und nachfolgende Anlage mittels Heftmaschine körperlich derart zu einer einheitlichen Urkunde verbunden sind, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heftklammer) möglich gewesen wäre.[107]
Rz. 125
Das Erfordernis der Einheit der Urkunde, das als Voraussetzung der Schriftform dem in § 126 Abs. 2 BGB vorgesehenen Regelfall eines Schriftstücks zu entnehmen ist, ist aber nicht bereits dann erfüllt, wenn eine bloß gedankliche Verbindung (Bezugnahme) zur Haupturkunde besteht. Vielmehr muss die Verbindung auch äußerlich durch tatsächliche Beifügung der in Bezug genommenen Urkunde zur Haupturkunde in Erscheinung treten.[108]
Rz. 126
Hinweis
Deshalb müssen im Augenblick der Unterzeichnung die Schriftstücke als einheitliche Urkunde äußerlich erkennbar werden.[109] Die erst nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs durch den Arbeitgeber vorgenommene Zusammenheftung mittels Heftmaschine genügt daher dem Schriftformerfordernis nicht.[110]
Rz. 127
Ob es für eine einheitliche, formwirksame Urkunde unter Umständen ausreichen könnte, wenn mehrere Exemplare mit Originalunterschriften und der gleich lautenden Namensliste als nicht fest verbundenen Anlage erstellt und von den Betriebspartnern oder gar auch von weiteren Beteiligten – hier: Gewerkschaft und Konkursgericht – separat verwahrt werden, erscheint zweifelhaft; auch dann sind nämlich die Namensliste als Anlage und der Interessenausgleich im Übrigen nicht jeweils zu einer Urkunde verbunden.
Rz. 128
Nach der Auffassung des LAG Schleswig-Holstein sollte sich eine Einheitlichkeit der Urkunde auch dadurch ergeben können, dass die nicht unterschriebene Namensliste mit dem (unterschriebenen) Interessenausgleich durch Nummerieren der Blätter, Bezugnahme oder den eindeutigen Sinnzusammenhang des fortlaufenden Textes zumindest mit einem "gedanklichen Band" verbunden sei.[111] Diese Rechtsauffassung dürfte angesichts der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des BAG nicht mehr haltbar sein.
Rz. 129
Ist der Interessenausgleich mit Namensliste nicht formgültig zustande gekommen, dann greift weder die Vermutungswirkung noch der schärfere Prüfungsmaßstab für die Sozialauswahl gem. § 125 Abs. 1 InsO[112] und es verbleibt bei der "normalen", abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess.[113]
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