aa) Typischer Sachverhalt

 

Rz. 345

Die U-GmbH beschäftigt 350 Mitarbeiter. Jeder Mitarbeiter verfügt an seinem Arbeitsplatz über ein eigenes Festnetztelefon, welches laut interner Regelung lediglich dienstlich genutzt werden darf. Die 30 Außendienstmitarbeiter verfügen zusätzlich über ein Mobiltelefon. Dieses darf laut Arbeitsvertrag – bei entsprechender Kostenübernahme durch den Arbeitnehmer – auch privat genutzt werden. In der Vergangenheit zogen unerlaubte Privattelefonate keinerlei Sanktionen durch den Arbeitgebers nach sich. Auch die Kostenübernahme durch die Außendienstmitarbeiter wurde nicht weiter kontrolliert.

Vor dem Arbeitsgericht sind nun zwei Kündigungsschutzverfahren wegen unerlaubter Nutzung des Telefons anhängig. In einem Fall hat ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitsplatz aus wiederholt während der Arbeitszeit und für längere Zeiträume ohne dienstliche Veranlassung seine Ehefrau angerufen. Im zweiten Fall wurden über ein Handy in erheblichem Maße Privattelefonate geführt, nicht als solche gekennzeichnet und dementsprechend die Kosten auch nicht erstattet. Vor Gericht sollen die Einzelverbindungsnachweise als Beweis herangezogen werden. Beide Arbeitnehmer machen geltend, der Arbeitgeber habe sie unerlaubt überwacht.

Der Arbeitgeber beschließt daraufhin, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, in der festgelegt werden soll, dass die private Nutzung bei Dienstapparaten in geringem Umfang gestattet und bei Mobiltelefonen gegen Kostenübernahme erlaubt sein soll. Zusätzlich sollen auch mögliche Sanktionen seitens des Arbeitgebers bei Verstößen gegen die Betriebsvereinbarung dargelegt sowie die Kontrollmöglichkeiten geregelt werden.

bb) Rechtliche Grundlagen

(1) Allgemeines

 

Rz. 346

Betriebliche Telefonanlagen gehören in den meisten Berufsfeldern zur selbstverständlichen Grundausstattung des Arbeitnehmers. Ebenso verhält es sich oftmals mit der Zurverfügungstellung von Mobiltelefonen – vor allem im Dienstleistungssektor. Als integraler Bestandteil der Arbeitswelt 4.0 ermöglicht das Mobiltelefon dem Arbeitnehmer, zu jederzeit ortsungebunden wichtige Arbeitsschritte vorzunehmen. Es gehört dabei zum Selbstverständnis vieler Arbeitgeber, dass dem Arbeitnehmer auch die private Nutzung des Telefons ermöglicht und gestattet wird.

Was in der modernen Arbeitswelt zur Selbstverständlichkeit geworden ist, stellt sich aus Sicht des Arbeitgebers nach wie vor als risikobehaftet dar. Trotz weit verbreiteter Flatrates birgt die Privatnutzung eines Mobiltelefons ein unkalkulierbares Kostenrisiko. Darüber hinaus droht bei ausufernder Privatnutzung die Vergeudung von Arbeitszeit bis hin zum Arbeitszeitbetrug, wenn die Mitarbeiter während der Arbeitszeit unerlaubt oder übermäßig privat telefonieren.

 

Rz. 347

Für den Arbeitgeber stellt sich zudem das Problem, dass er vielleicht gerne die Privatnutzung in einem gewissen Rahmen gestatten möchte, jedoch Sorge vor den rechtlichen Folgen hat. Gestattet der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Privatnutzung der von ihm zur Verfügung gestellten Telekommunikationsmöglichkeiten, so wird er zumindest nach Ansicht der Aufsichtsbehörden zum Telekommunikationsdienstanbieter (s. auch Rdn 348) und sollte vorsorglich die Regelungen des TKG berücksichtigen. Weitere rechtliche Hürden ergeben sich aus den Vorschriften des Beschäftigungsdatenschutzes sowie durch das Betriebsverfassungsrecht. Schließlich bergen modernen Telefonanlagen versteckte Überwachungsmöglichkeiten und eröffnen dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte. Hieraus erwächst das Bedürfnis nach validen betrieblichen Regelungen für die Telefonnutzung.

(2) Inhaltliche Kontrolle

 

Rz. 348

Die Kontrollmöglichkeiten eines Arbeitgebers gliedern sich in eine Kontrolle der Telefondaten einerseits sowie in eine (Gesprächs-)Inhaltskontrolle.

Inhaltskontrolle bedeutet, dass der Arbeitgeber Kenntnis vom konkreten Gesprächsinhalt der Arbeitnehmer erlangt. Diese Kontrolle kann zum einen durch Mithören in Echtzeit erfolgen. Zum anderen ist an das Aufzeichnen und Speichern von Gesprächsinhalten zu denken. Inhaltliche Kontrollen begründen immer einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG – insbesondere in Gestalt des Rechts am eigenen Wort. Durch das Recht am eigenen Wort darf der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst bestimmen, wem ein Kommunikationsinhalt bekannt werden soll.[981] Auf dieses Recht kann sich der Arbeitnehmer sowohl bei Dienst- als auch bei Privatgesprächen berufen.[982] Daneben ergeben sich nicht selten Eingriffe in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK. Der Begriff des Privatlebens ist nämlich weit auszulegen. Er schützt das "soziale Privatleben", also die Möglichkeit, Beziehungen zu anderen und der Außenwelt zu entwickeln, was berufliche Tätigkeiten nicht ausschließt.[983]

Einen rechtlichen Rahmen erhalten die erlaubten Privatgespräche vor allem durch die datenschutzrechtlichen Vorschriften der DS-GVO sowie des BDSG. Aus materiellrechtlicher Sicht hat sich dabei mit Einführung der DS-GVO im Mai 2018 nichts geändert. Eine Datenverarbei...

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