Rz. 1093

Die Insolvenz des Arbeitgebers[2656] hat auf die Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Vorschriften, wie beispielsweise den Kündigungsschutz und die Geltung des § 613a BGB sowie auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses, grundsätzlich keine Auswirkungen (§ 108 Abs. 1 S. 1 InsO). Prinzipiell soll auch in der Insolvenz der Schutz der Arbeitnehmer durch zwingendes Arbeitsrecht erhalten bleiben. Die Interessen der Arbeitnehmer stehen lediglich dort zurück, wo der Gesetzgeber den Interessen der anderen Insolvenzgläubiger ausdrücklich Vorrang eingeräumt hat, so z.B. in den Vorschriften §§ 113, 120122 und 125128 InsO.

[2656] Die Insolvenz des Arbeitnehmers berührt das Arbeitsverhältnis nicht und wird hier nicht weiter behandelt.

aa) Arbeitgeberstellung in der Insolvenz

 

Rz. 1094

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht und damit auch die Arbeitgeberstellung kraft Gesetzes vom Gemeinschuldner auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 ­InsO).[2657] Voraussetzung dafür ist, dass das Arbeitsverhältnis zum Eröffnungszeitpunkt noch fortbesteht. Der Gemeinschuldner behält nur ausnahmsweise bei Anordnung der Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters weitgehend die Arbeitgeberstellung.[2658]

[2657] Kübler/Prütting/Lüke, § 80 InsO Rn 43 ff.
[2658] BAG 22.10.1998 – 8 AZR 618/97, ZInsO 1999, 361 (LS); Regh/Regh, § 3 Rn 25.

(1) Vorläufiger Insolvenzverwalter vor der Insolvenzeröffnung

 

Rz. 1095

Im Insolvenzeröffnungsverfahren, also nach Antragstellung auf Insolvenzeröffnung durch den Gemeinschuldner oder einen Gläubiger, bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Wenn das Gericht als Sicherungsmaßnahme dem Gemeinschuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO), verliert der Gemeinschuldner bereits zu diesem Zeitpunkt seine Arbeitgeberstellung an den sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 InsO).[2659] In der Regel ordnet das Gericht aber lediglich an, dass Verfügungen des Gemeinschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Bei diesem Zustimmungsvorbehalt bestellt das Gericht einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter.[2660] Die Arbeitgeberstellung und damit auch die Kündigungsbefugnis verbleiben beim Gemeinschuldner.[2661] Die erforderliche Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters ist bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses dieser in urkundlicher Form beizufügen. Andernfalls kann die Kündigung nach § 182 Abs. 3 BGB i.V.m. § 111 S. 2 BGB zurückgewiesen werden.[2662]

[2659] Kündigt der starke vorläufige Insolvenzverwalter aus dringenden betrieblichen Erfordernissen die Arbeitsverhältnisse, sollte das Insolvenzgericht der vorzeitigen, ggf. teilweisen Betriebsstilllegung zugestimmt haben. Zwar ist diese Zustimmung nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen (BAG 27.10.2005 – 6 AZR 5/05, AP Nr. 4 zu § 22 InsO = NZA 2006, 727; a.A. Zwanziger, Einf. Rn 252k). Fehlt die Zustimmung jedoch, kann der starke vorläufige Insolvenzverwalter sich ggf. nach § 60 InsO schadensersatzpflichtig machen.
[2660] In der Praxis werden dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter oftmals aus taktischen Gründen "starke" Pflichten übertragen (sog. halbstarker Insolvenzverwalter), ErfK/Müller-Glöge, Einf. InsO Rn 5. Darf der schwache vorläufige Insolvenzverwalter Dauerschuldverhältnisse wie Arbeitsverhältnisse kündigen, rückt er insoweit in die Arbeitgeberstellung ein (BAG 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555).
[2661] BAG 20.1.2005 – 2 AZR 134/04, AP Nr. 18 zu § 113 InsO = NZA 2006, 1352; BAG 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, AP Nr. 1 zu § 21 InsO = ZIP 2003, 1161; MüKo-InsO/Caspers, vor §§ 113–128 Rn 25; Göpfert/Schöne/Gossak, § 13 Rn 10 ff.
[2662] BAG 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, AP Nr. 1 zu § 21 InsO = ZIP 2003, 1161; dazu Anm. Peters-Lange, EWiR 2004, 709.

(2) Insolvenzeröffnungsbeschluss ohne allgemeines Verfügungsverbot (Auszug)

 

Rz. 1096

Muster 2.84: Insolvenzeröffnungsbeschluss ohne allgemeines Verfügungsverbot

 

Muster 2.84: Insolvenzeröffnungsbeschluss ohne allgemeines Verfügungsverbot

Az. _________________________

Amtsgericht _________________________

Beschluss

In dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen

der im Handelsregister des Amtsgerichts _________________________ unter HRB _________________________ eingetragenen _________________________-GmbH, _________________________ (Anschrift), vertreten durch _________________________,

Geschäftszweig: _________________________,

wird heute am _________________________, um _________________________ Uhr, zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhaltes angeordnet (§§ 21, 22 InsO):

Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird Herr Rechtsanwalt _________________________, _________________________ (Anschrift), bestellt.

Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO).

Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin. Er hat die Aufgabe, durch Überwachung der Schuldnerin deren V...

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