Rz. 1144

Ob es sich um einen Anspruch vor oder nach der Insolvenzeröffnung handelt, bestimmt sich nicht nach der Fälligkeit, sondern nach dem Entstehen der Forderung.[2783]

[2783] BAG 12.1.1967 – 5 AZR 269/66, NJW 1967, 1055 (LS); BAG 21.2.2013 – 6 AZR 406/11, NZA 2013, 743; Uhlenbruck/Sinz, § 38 InsO Rn 58; MüKo-InsO/Ehricke/Behme, § 38 Rn 21.

aa) Entgeltschutz in der Insolvenz

 

Rz. 1145

Die ehemals in der KO geregelte Privilegierung der Arbeitnehmeransprüche auf rückständiges Arbeitsentgelt aus der Zeit vor der Verfahrenseröffnung gilt nicht mehr. Gemäß §§ 38, 108 Abs. 2 InsO sind sämtliche rückständigen Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer, seien es Geld- oder Naturalleistungen, nur noch einfache Insolvenzforderungen.[2784] Die Ansprüche der Sozialversicherungsträger sind gleichfalls nicht bevorrechtigt.[2785] Nach § 39 InsO sind lediglich bestimmte Nebenforderungen wie z.B. Zinsansprüche und Kosten wegen der Teilnahme am Insolvenzverfahren "nachrangig". Wertguthaben auf Arbeitszeitkonten sind den Zeiträumen der tatsächlichen Arbeitsleistung zuzuordnen.[2786] Um in der Insolvenz Nachteile des Arbeitnehmers zu vermeiden, hat der Gesetzgeber in den Vorschriften der §§ 7b ff. SGB IV die insolvenzrechtliche Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen umgesetzt.[2787] Die Vergütungsansprüche sind damit, soweit sie nicht wegen beantragten Insolvenzgeldes auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, wie jede andere Insolvenzforderung vom Arbeitnehmer zur Insolvenztabelle anzumelden. Voraussetzung für die Anmeldung zur Tabelle ist, dass der Vergütungsanspruch zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht aufgrund tariflicher oder vertraglicher Ausschlussfristen verfallen ist.[2788] Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten tarifvertragliche Verfallsklauseln für die Insolvenzforderungen der Arbeitnehmer nicht mehr.[2789] Die Anmeldung als Insolvenzforderung hemmt zudem eine laufende Verjährungsfrist (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB).[2790]

 

Hinweis

In der InsO gibt es keine bevorrechtigten Gläubigergruppen. Weder die Arbeitnehmeransprüche vor Eröffnung der Insolvenz noch die Ansprüche der Sozialversicherungsträger oder Lohnsteuerforderungen sind privilegiert.

[2784] Lakies, NZA 2001, 521; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 108 InsO Rn 15.
[2785] BGH 18.4.2005 – II ZR 61/03, AP Nr. 2 zu § 64 GmbHG = NJW 2005, 2546. Umfassend zum Sozialversicherungsrecht Röger, § 6 Rn 1 ff.
[2787] Der Insolvenzschutz des § 7e SGB IV gilt auch für vor dem 1.1.2009 aufgebaute Wertguthaben. ErfK/Rolfs, § 7e SGB IV Rn 3.
[2789] BAG 19.11.2015 – 6 AZR 559/14, NZA 2016, 314; Zwanziger, § 108 InsO Rn 24.
[2790] Eine unzureichende, verspätete oder unvollständige Anmeldung hemmt die Verjährung nicht (BGH 21.2.2013 – IX ZR 92/12, ZIP 2013, 680).

bb) Durchsetzung von Insolvenzforderungen

 

Rz. 1146

Der Arbeitnehmer kann seine Insolvenzforderungen als Insolvenzgläubiger nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren durchsetzen (§ 87 InsO). Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Der Arbeitnehmer hat seine Insolvenzforderungen, ob streitig oder unstreitig, schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 174 Abs. 1 InsO), bei Arbeitsentgeltansprüchen mit dem Bruttobetrag und bei anderen Forderungen mit dem Wert, der für die Zeit der Insolvenzeröffnung geschätzt werden kann. Auch bereits rechtskräftig titulierte Forderungen sind anzumelden. Bei übergegangenen Forderungen, wie z.B. dem Insolvenzgeld, ist nicht der Arbeitnehmer, sondern die Bundesagentur für Arbeit anmeldebefugt. Um eine sachliche Prüfung zu ermöglichen, sollen der Anmeldung Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, wie z.B. die Gehaltsabrechnung, beigefügt werden.[2791]

 

Rz. 1147

 

Hinweis

Die Anmeldung von Insolvenzforderungen muss schriftlich beim Insolvenzverwalter erfolgen unter Beifügung aller Unterlagen, aus denen sich die Forderung ergibt.

Ein Formular zur Forderungsanmeldung für Insolvenzverfahren, ist im Internet unter https://­www.justiz.nrw.de/BS/formulare/insolvenz/forderungsanmeldung1/index.php zu finden und das dazugehörige Merkblatt zur Forderungsanmeldung (Stand 11/2018) unter ttps://www.justiz.nrw.de/BS/formulare/insolvenz/forderungsanmeldung1/Merkblatt-zur-Forderungsanmeldung-im-Insolvenzverfahren-_­01_07_2014_.pdf

 

Rz. 1148

Im Prüfungstermin wird jede zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung nach Betrag und Rang geprüft und bei nicht erhobenem Widerspruch in die Tabelle eingetragen. Nach § 179 Abs. 3 InsO wirkt die Eintragung für die festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

cc) Feststellung streitiger Forderungen

 

Rz. 1149

Wurde eine angemeldete Forderung bestritten, obliegt es dem Gläubiger, die Feststellung durch Erhebung einer Feststellungsklage im ordentlichen Verfahren zu betreiben (§§ 179 Abs. 1 ff...

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