Rz. 1041

Nach dem sehr allgemein gehaltenen Wortlaut des § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB soll die Unterrichtung auch die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs erfassen. Der Gesetzgeber meint damit vor allem eine Information über die in § 613a Abs. 14 BGB genannten Folgen.[2377] Dabei sind den Arbeitnehmern lediglich Umstände von einer gewissen Erheblichkeit mitzuteilen, die einen konkreten Bezug zum übergehenden Arbeitsverhältnis und zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung beim bisherigen Arbeitgeber haben.[2378] Die Folgen müssen nicht konkret bezogen auf jedes einzelne Arbeitsverhältnis benannt werden. Ausreichend ist eine kollektive, abstrakte Beschreibung für alle Arbeitnehmer oder für Arbeitnehmergruppen, die vom Übergang betroffen sind, sofern sie dem Arbeitnehmer ermöglichen, sein Arbeitsverhältnis einer der Gruppen zuzuordnen.[2379]

 

Hinweis

Die Unterrichtung über die Rechtsfolgen darf keine juristischen Fehler enthalten – eine lediglich im Kern richtige Darstellung ist nicht ausreichend.[2380] Bei komplexen Rechtsfragen liegt nach der Rechtsprechung des BAG dann keine fehlerhafte Unterrichtung vor, wenn der Arbeitgeber nach angemessener Prüfung eine "vertretbare Position" gegenüber den Arbeitnehmern kundtut, solange eine Rechtsfrage höchstrichterlich nicht geklärt ist.[2381] Hierfür kann die Einholung von Rechtsrat bezüglich der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich, aber bei vertretbaren Rechtsauffassungen auch ausreichend sein.[2382]

Im Einzelnen ist insbesondere über die nachstehenden rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu unterrichten:

[2377] Vgl. BT-Drucks 14/7760, 19.
[2378] Grobys, BB 2002, 726, 728.
[2379] BAG 13.7.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273, 1275; BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, BeckRS 2012, 66397 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 15; Fuhlrott/Ritz, BB 2012, 2689, 2691; Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159, 1163; Zöll, AuA 2006, 18, 19.
[2381] Vgl. BAG 13.7.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273, 1275, BAG 10.11.2011 – 8 AZR 430/10, BeckRS 2012, 66397 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 15; BAG 26.3.2015 – 2 AZR 783/13, NZA 2015, 866; vgl. Koller-van Delden, DStR 2008, 776, 778.

(a) Übergang des Arbeitsverhältnisses

 

Rz. 1042

Die Arbeitnehmer sind im Einzelnen darauf hinzuweisen, was der Eintritt des neuen Inhabers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bedeutet. Dabei muss insbesondere deutlich werden, dass der neue Inhaber zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs neuer Schuldner arbeitsvertraglicher Ansprüche ist und ihm das Direktionsrecht zusteht. Außerdem kann besonderer Hinweisbedarf zu einzelnen Vertragsgegenständen bestehen[2383] (z.B. hinsichtlich Betriebszugehörigkeit,[2384] Kündigungsfrist,[2385] Werkdienstwohnungen, Firmenrabatten, Aktienoptionen,[2386] Arbeitgeberdarlehen, Altersteilzeit, nachvertraglichem Wettbewerbsverbot,[2387] Sozialplanprivileg nach § 112a Abs. 2 BetrVG[2388]).

[2383] Eine Angabe über die betriebliche Altersversorgung ist laut BAG 22.5.2007 (3 AZR 834/05, NZA 2007, 1283, 1284; 3 AZR 357/06, NZA 2007, 1285, 1286) nicht erforderlich. Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung sind keine Folge des Übergangs, da sie bis zum Zeitpunkt des Übergangs ohne Rücksicht auf diesen entstehen.
[2384] Zur Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten beim Veräußerer: EuGH 6.4.2017 – C-336/15, NZA 2017, 585; BAG 18.9.2003 – 2 AZR 330/02, NZA 2004, 319; BAG 19.4.2005 – 3 AZR 469/04, BeckRS 2005, 41910; MuKoBGB/Müller-Glöge, § 613a BGB Rn 97 f.
[2386] Zum Verfall von Aktienoptionen beim Betriebsübergang siehe Schnitker/Grau, BB 2002, 2497.
[2387] Altenburg/Leister, NZA 2005, 15, 22 f.; Gaul/Ludwig, NZA 2013, 489.

(b) Widerspruchsrecht

 

Rz. 1043

Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers ist ein "Rechtsfolgenverweigerungsrecht", da es auf die Verhinderung der Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 S. 1 gerichtet ist.[2389] Laut BAG ist nicht nur der Übergang des Arbeitsverhältnisses, sondern auch das Recht, dem Übergang zu widersprechen, eine Rechtsfolge des Betriebsübergangs i.S.d. § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB.[2390] Vor diesem Hintergrund sollte der Arbeitgeber im Informationsschreiben auch auf das Widerspruchsrecht hinweisen.[2391]

Dabei sollte der Arbeitgeber insbesondere über Folgendes informieren:

Form des Widerspruchs: Schriftform
Widerspruchsfrist: Ein Monat ab Zugang der Unterrichtung
Widerspruchsadressat: Bisheriger Arbeitgeber oder neuer Inhaber
Rechtsfolge des Widerspruchs: Kein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber, (gegebenenfalls) keine Arbeitsmöglichkeit mehr beim bisherigen Arbeitgeber mit der möglichen Folge einer betriebsbedingten Kündigung, möglicherweise Ver...

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