Rz. 1097

Mit dem Insolvenzeröffnungsbeschluss ernennt das Gericht den Insolvenzverwalter (§ 27 InsO). Dieser nimmt – wie bereits der starke vorläufige Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren – sämtliche mit der Arbeitgeberstellung verbundenen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis wahr. Auch die sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlichen Verpflichtungen obliegen dem Insolvenzverwalter. Damit ist allein der Insolvenzverwalter kündigungsberechtigt.[2663] Eine Kündigungsschutzklage ist gegen ihn zu richten[2664] bzw. das Rubrum in einem laufenden Rechtsstreit auf ihn umzustellen. Anhängige Rechtsstreite, die die Insolvenzmasse betreffen, sind nach § 240 S. 1 ZPO unterbrochen. Sie werden nur nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften wieder aufgenommen (§ 240 S. 1 ZPO i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO).[2665] Bestehende Titel sind auf den Insolvenzverwalter umzuschreiben.[2666] Nach § 60 Abs. 1 InsO haftet der Insolvenzverwalter gegenüber den Beteiligten des Insolvenzverfahrens für die schuldhafte Verletzung seiner insolvenzspezifischen Pflichten. Kann er eine durch seine Rechtshandlung begründete Masseverbindlichkeit nicht erfüllen, ist er dem Massegläubiger zum Schadensersatz[2667] verpflichtet (§ 61 InsO). Dieses Haftungsrisiko veranlasst einen Insolvenzverwalter häufig dazu, Arbeitsverhältnisse möglichst frühzeitig zu kündigen.[2668]

[2663] Uhlenbruck/Zobel, § 113 InsO Rn 26; Hess, § 113 InsO Rn 110.
[2664] Der Insolvenzverwalter ist nicht gesetzlicher Vertreter, sondern nach der sog. Amtstheorie "Partei kraft Amtes", so st. Rspr. seit RGZ 29, 29; BAG 18.4.2002 – 8 AZR 347/01, AP Nr. 232 zu § 613a BGB; BAG 18.10.2012 – 6 AZR 41/11, NZI 2013, 151; Nerlich/Römermann/Delhaes/Römermann, vor § 56 InsO Rn 8 ff.; ErfK/Müller-Glöge, Einf. InsO Rn 6.
[2665] Eine Kündigungsschutzklage ebnet den Weg für vermögensrechtliche Ansprüche und betrifft folglich immer die Insolvenzmasse. Vgl. BAG 18.10.2006 – 2 AZR 563/05, NZI 2007, 300 = NZA 2007, 765; Zöller/Seibel, § 727 ZPO Rn 9 ff.
[2666] Zöller/Seibel, § 727 ZPO Rn 18.
[2667] Die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO ist auf das negative Interesse begrenzt (BAG 19.1.2006 – 6 AZR 600/04, NZA 2006, 860).
[2668] Kann der Insolvenzverwalter erkennen, dass er die Verbindlichkeiten aus einem von ihm aufrechterhaltenen Arbeitsverhältnis nicht voll aus der Masse wird erfüllen können, dann ist das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Die Verhängung einer Urlaubssperre ist demgegenüber keine Rechtshandlung i.S.d. § 61 S. 1 InsO. Vgl. BAG 6.9.2018 – 6 AZR 367/17, NZA 2019, 172.

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