Rz. 1134

Generell besteht im Insolvenzverfahren die Pflicht des Insolvenzverwalters, bei einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG[2761] einen Interessenausgleich zu versuchen. Andernfalls kann der von einer Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG Ansprüche auf Nachteilsausgleich[2762] geltend machen, sobald der Insolvenzverwalter mit der geplanten Betriebsänderung beginnt.[2763]

 

Rz. 1135

Um aber die Sanierungsbemühungen des Insolvenzverwalters bzw. eine beabsichtigte Betriebsveräußerung auf einen Erwerber wegen Unklarheiten der Arbeitsverhältnisse nicht zu verzögern, wird das Verfahren durch die Regelungen der §§ 121, 122 InsO beschleunigt. Nach § 121 InsO findet ein Vermittlungsversuch nur dann statt, wenn der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat gemeinsam darum ersuchen. Erscheint dem Insolvenzverwalter auch die Anrufung der Einigungsstelle zu langwierig, kann er mit arbeitsgerichtlicher Zustimmung von der Verpflichtung befreit werden, einen Interessenausgleich nach § 112 Abs. 2 BetrVG zu versuchen (§ 122 Abs. 1 InsO). Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung nach § 122 Abs. 2 InsO zu erteilen, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens dies auch unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerbelange erfordert.[2764]

[2761] Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB ist keine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG. Die Identität des Betriebes bleibt gewahrt; es findet lediglich ein Betriebsinhaberwechsel statt. Vgl. BAG 15.12.2011 – 8 AZR 692/10, NZA-RR 2012, 570.
[2762] Bereits die unwiderrufliche Freistellung aller Arbeitnehmer durch den Insolvenzverwalter kann als faktische Betriebsstilllegung als Beginn einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG gewertet werden mit der Folge, dass ohne vorherigen Abschluss eines Interessenausgleiches den Arbeitnehmern Nachteilsausgleichsansprüche zustehen (LAG Berlin-Brandenburg 2.3.2012 – 13 Sa 2187/11, ZIP 2012, 1429 (LS)).
[2763] Hinsichtlich der Höhe des Nachteilsausgleichs verweist § 113 Abs. 1 BetrVG auf § 10 KSchG. Vgl. zur objektiven Pflichtverletzung BAG 23.9.2003 – 1 AZR 576/02, NZA 2004, 440 = ZIP 2004, 627; dazu Anm. Lunk, ArbRB 2004, 104.
[2764] Gegen den Beschluss ist keine Beschwerde beim Landesarbeitsgericht, sondern nur die Rechtsbeschwerde beim BAG möglich, wenn diese durch das Arbeitsgericht zugelassen ist (§ 122 Abs. 3 InsO).

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