Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachteilsausgleich bei unwiderruflicher Freistellung vor Abschluss eines Interessenausgleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Die Durchführung einer Betriebsänderung in From einer Stilllegung des Betriebes kann auch mit einer unwiderruflichen Freistellung sämtlicher Arbeitnehmer beginnen

 

Normenkette

BetrVG § 113 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 04.10.2011; Aktenzeichen 16 Ca 6910/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.10.2011 – 16 Ca 6910/11 – abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.600,– EUR (zweitausendsechshundert) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2011 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung eines Nachteilsausgleichs.

Der Beklagte ist mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 01.10.2009 zum Insolvenzverwalter für das Insolvenzverfahren über das Vermögen der E. D. GmbH eingesetzt worden. Bei der Gemeinschuldnerin handelt es sich um ein bundesweit agierendes Dienstleistungsunternehmen im Fitness- und Wellnessbereich, für welches in der Berliner Region ein Betriebsrat bestand.

Der Beklagte kündigte noch im Oktober 2009 sämtliche Mietverträge für alle betroffenen Fitnessclubs zum 31.01.2010. Bis auf zwei Betriebsstätten, darunter die hier streitgegenständliche Betriebsstätte in Berlin-Tegel, wurden alle anderen Clubs von neuen Erwerbern unterbrechungslos fortgeführt.

Am 13.01.2010 traf der Beklagte die unternehmerische Entscheidung, den Fitnessclub in T. über den 31.01.2010 nicht mehr fortzuführen, da sich für diesen Club kein Investor bereit gefunden habe. Diese Entscheidung teilte er den Mitarbeitern und den Clubmitgliedern mit.

Mit Schreiben vom 26.01.2010 stellte der Beklagte sämtliche Arbeitnehmer der Betriebsstätte T. ab 01.02.2010 „unwiderruflich von Ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung frei…” „Evtl. Resturlaubsansprüche sowie weiter entstehende Urlaubsansprüche werden im Freistellungszeitraum bis zum späteren Ablauf der Kündigungsfrist verrechnet…” (vgl. das Schreiben in Kopie, Bl. 20-21 d.A.).

Die bereits Mitte Januar 2010 begonnenen Interessenausgleichsverhandlungen wurden im Februar 2010 abgeschlossen und der Interessenausgleich am 23.02.2010 unterschrieben (vgl. den Interessenausgleich in Kopie, Bl. 84 ff. d.A.). Nach dem danach abgeschlossenen Sozialplan erhält die Klägerin eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 20.191,92 Euro, von denen am Ende des Sozialplanverfahrens eine anteilige Ausschüttung von etwa 2/3 möglich sein wird (vgl. die Einschätzungserwartung des Beklagtenvertreters vom 04.10.2011, im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Berlin, Bl. 95 d.A.).

Mit Schreiben vom 25.02.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der seit dem 01.01.2000 aufgrund des Arbeitsvertrages vom 01.01.2000 (vgl. dazu den Arbeitsvertrag in Kopie, Bl. 8 ff. d.A.) für ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 1.600,00 Euro beschäftigten am … 1952 geborenen Klägerin zum 30.04.2010, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin (vgl. das Kündigungsschreiben in Kopie, Bl. 44a d.A.).

Gegen diese Kündigung wandte sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage. Die Parteien einigten sich durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2010 endete und die Klägerin unter anderem „zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 1.400,00 Euro” erhielt (vgl. den Vergleichsbeschluss vom 08.12.2010, Bl. 178-179 d.A. in Kopie). Seit dem 01.05.2010 steht die Klägerin in einem neuen Arbeitsverhältnis.

Mit der am 06.11.2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen Klage hat die Klägerin Nachteilsausgleich in Höhe von mind. 8.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Verkündungsdatum des erstinstanzlichen Gerichts gefordert.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 04.10.2011 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin einen Nachteilsausgleich in Höhe von 8.000,00 Euro brutto nebst Zinsen seit dem 04.10.2011 zu zahlen, „auf die Abfindungssumme ist die der Klägerin zustehende Sozialplanabfindung anrechenbar.” Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits den Parteien je zur Hälfte auferlegt. Wegen der konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Parteienvortrags I. Instanz wird auf das Urteil vom 04.10.2011 (Bl. 97-109 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 14.10.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 31.10.2011 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene und am 16.01.2012 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.01.2012 begründete Berufung des Beklagten.

Er meint, dass der Tatbestand des hier allein einschlägigen § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs....

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