Rz. 471

Nach § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB kann das Familiengericht das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist. Auf längere Zeit kommt eine Aussetzung[590] oder ein Ausschluss als äußerste Maßnahme[591] nur in Betracht, wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet wäre, § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB.

§ 1684 Abs. 4 S. 1 BGB entspricht dem Maßstab des § 1696 Abs. 1 BGB. Das Gericht hat die familiäre Situation gem. § 26 FamFG umfassend aufzuklären und ggf. mit gutachterlicher Hilfe die Möglichkeiten für das Kind möglichst konfliktfreier Anbahnung bzw. Aufrechterhaltung von Kontakten zu prüfen. Liegen Gründe vor, die befürchten lassen, dass sich das Kind ohne Einschränkung oder Ausschluss des Umgangs nachteilig entwickeln könnte, ist unter Beachtung des Gebotes eines geringstmöglichen Eingriffs zu prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind.[592]

 

Rz. 472

Das Bundesverfassungsgericht setzt die Prüfungsmaßstäbe sehr hoch an. In einem Beschl. v. 5.12.2008[593] hat es erklärt:

Zitat

Der materiell-rechtliche Gehalt von Art. 6 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, vor Ausschluss des Umgangs eine Einschränkung des Umgangs (begleiteter Umgang oder Einrichtung einer Umgangspflegschaft) zu prüfen.

Der verfahrensrechtliche Gehalt von Art. 6 Abs. 2 GG erfordert u.a., dass die Gerichte sich eine zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung über das Umgangsrecht verschaffen.[594]

Es muss sich um konkrete, sehr gewichtige Gründe handeln, die das Wohl des Kindes nachhaltig berühren.[595]

[590] OLG Frankfurt/M. FamRZ 2021, 188: keine Umgangsaussetzung wegen Corona-Pandemie.
[592] KG FamRZ 1989, 656, 659; OLG Hamburg FamRZ 1991, 471; BVerfG FamRZ 2004, 1166.
[593] BVerfG, Beschl. v. 5.12.2008 – I BvR 746/08, abrufbar unter www.iww.de, Abruf-Nr. 091566; vgl. auch Büte, FK 2009, 212, 214; vgl. auch BVerfG FamRZ 2021, 1709.
[594] Hier: fehlende Einholung eines Sachverständigengutachtens, Unterlassen einer erneuten richterlichen Kindesanhörung, fehlende Anhörung der Eltern zur Möglichkeit eines – ggf. begleiteten – Umgangs in der Beschwerdeinstanz.
[595] So hat das OLG Oldenburg einen begleiteten Umgang bejaht und den Ausschluss des Umgangsrechts in einem Fall aufgehoben, in welchem der Kindesvater das Kind durch im Kleinkindalter zugefügte Misshandlungen zu einem schweren Pflegefall hat werden lassen, FamRZ 2005, 925 ff.

a) Der gerichtliche Antrag auf Ausschluss des Umgangs

 

Rz. 473

Prüfstein für eine Aussetzung oder einen Ausschluss des Umgangsrechts bleibt das Kindeswohl.[596] Kontakt zu dem mit dem Kind nicht zusammenlebenden Elternteil dient grundsätzlich dem Kindeswohl. Ein völliger Ausschluss – auch auf Zeit – ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Kind infolge des Umgangs körperlich oder seelisch konkret gefährdet ist und der Gefährdung nicht durch eine bloße Einschränkung des Umgangsrechts oder dessen sachgerechte Ausgestaltung begegnet werden kann.[597]

Der Einzelfall ist im Hinblick hierauf konkret zu prüfen.[598]

Liegen solche Gründe vor, ist jedoch entsprechendes zu beatragen.

 

Rz. 474

Muster 2.54: Antrag auf Ausschluss des Umgangs

 

Muster 2.54: Antrag auf Ausschluss des Umgangs

Es wird beantragt, anzuordnen:

Der Umgang des Antragsgegners mit dem gemeinsamen Kind der Beteiligten K _________________________, geb. am _________________________, wird ausgeschlossen.

 

Rz. 475

Ein solcher Grund kann beispielsweise in extrem feindseliger Haltung der Eltern zueinander liegen, unter denen das Kindeswohl stark beeinträchtigt ist,[599] aber auch bei starker häuslicher Gewalt vorhanden sein.[600]

 

Rz. 476

Ein Sonderproblem bildet das "Münchhausen-by-proxy"-Syndrom. Es handelt sich darum, dass Erwachsene, fast ausschließlich Frauen, in der Regel Mütter, zur Erregung von Aufmerksamkeit im sozialen Umfeld, bei Kindern Krankheiten vortäuschen oder, häufiger noch, Erkrankungen aktiv erzeugen und medizinische Behandlung verlangen. Dies kann im Einzelfall zum Tod des betroffenen Kindes führen.

Die Kinder sind in solchen Fällen derart akut gefährdet, dass es sogar in Anwesenheit Dritter zu Attacken auf das Kind kommen kann. Hier muss ein unbefristeter Ausschluss des Umgangs angeordnet werden.[601]

[596] Für den Ausschuss bei politisch-religiösen Fragen vgl. OLG Köln FamRZ 2013, 1238 (Verbreitung islamistischer Drohvideos im Internet).
[597] So OLG Hamm FamRZ 1994, 58.
[598] In diesem Zusammenhang ist auch die Dauer des Ausschlusses konkret festzulegen, so BVerfG FamRZ 2005, 1815.
[600] OLG Köln FamRZ 2011, 571.

b) Vereinbarungen zum Ausschluss des Umgangs

 

Rz. 477

Es wird wenige Fälle geben, in denen bei gewolltem oder gerichtlich bereits beantragtem Ausschluss des Umgangskontaktes eine Einigung der Eltern möglich ist.

Die günstigste "Einigungsprognose" ist wohl in solchen Fällen zu sehen, in denen sich die beteiligten Eltern auf einen begleiteten Umgang statt auf eine Aussetzung des Umgangs einigen.

Eine Aussetzung wird man regelmäßig nur in denjenigen Fällen als...

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