Rz. 773

Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis ergeben sich für das volljährige Kind gegenüber seinen Eltern spiegelbildlich ebenfalls verschiedene Leistungspflichten.

(1) Auskunfts- und Belegvorlagepflichten

 

Rz. 774

Das Gegenseitigkeitsprinzip vermittelt dem Unterhaltsschuldner auch gewisse Auskunfts- und Kontrollrechte: Er kann verlangen, dass er nicht nur bezüglich des Ausbildungsweges seines unterhaltsberechtigten Kindes, sondern auch über den Fortgang der Ausbildung und über die jeweils erbrachten Leistungen informiert wird (Auskunftsanspruch)[1028] und dem Verlauf des bisherigen Studiums entsprechende Leistungsnachweise (etwa Studienbescheinigungen, (Zwischenprüfungs-) Zeugnisse, Scheine der Universität, Nachweis über den Besuch der lehrplanmäßigen Studienveranstaltungen u.a.) zur Einsicht erhält (Belegvorlageanspruch). Kommt das Kind dieser Verpflichtung trotz entsprechender Aufforderung nicht nach, können die Eltern hinsichtlich der Unterhaltszahlungen ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, bis die entsprechenden Informationen erteilt und/oder die verlangten Belege vorgelegt worden sind.[1029] Bei beharrlicher Pflichtverletzung des Kindes kann der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt erlöschen.[1030]

 

Rz. 775

 

Praxistipp

Ist der Unterhaltsanspruch eines (minderjährigen) Kindes durch Jugendamtsurkunde tituliert und verletzt das zwischenzeitlich volljährige Kind seine gegenüber einem unterhaltspflichtigen Elternteil bestehende Auskunftspflicht über seinen Schulabschluss, seine Ausbildung, eine gegebenenfalls nebenher betriebene Erwerbstätigkeit, sein Einkommen, und das des anderen Elternteils sowie die Auszahlung von Kindergeld, kann dies nach § 1611 Abs. 1 BGB zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führen.[1031]

 

Rz. 776

Verweigert das unterhaltsberechtigte volljährige Kind auf entsprechende Aufforderung des Unterhaltsschuldners die Auskunft über die Ordnungsmäßigkeit des Studiengangs, so ist der Unterhaltsschuldner berechtigt, Abänderungsantrag mit dem Ziel des Wegfalls seiner Unterhaltsverpflichtung zu erheben. Zu beachten ist dabei, dass das Abänderungsverfahren nach §§ 238 ff. FamFG die anspruchsbegründenden Tatsachen betrifft, wie etwa die Bedürftigkeit oder Leistungsfähigkeit der Beteiligten, und damit den Anspruchsgrund als solchen.

 

Rz. 777

 

Praxistipp

Erklärt der Unterhaltsschuldner nach Erteilung der Auskunft die Hauptsache für erledigt, hat der Unterhaltsgläubiger mit Rücksicht auf den Rechtsgedanken des § 243 Satz 2 Nr. 2 FamFG die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er durch die ungenügende Auskunft Veranlassung zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegeben hat.[1032]

 

Rz. 778

Die hartnäckige Verweigerung einer Auskunftserteilung stellt sich als eine der Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel entgegenstehende, gegen § 242 BGB verstoßende unzulässige Rechtsausübung dar, die der unterhaltspflichtige Elternteil als Einwendung mit einem Vollstreckungsabwehrantrag geltend machen kann. Der Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO dient der Durchsetzung rechtsvernichtender, -hemmender und -beschränkender Einwendungen und ist damit die richtige Antragsart.[1033]

[1028] BGH FamRZ 1987, 470; OLG Celle FamRZ 1980, 914; OLG Hamm FamRZ 1995, 1007; NJW-RR 1996, 4.
[1029] OLG Hamm FamRZ 1996, 49; OLG Celle EzFamR aktuell 2001, 167.
[1030] OLG Hamm ZFE 2004, 378 (Ls.).
[1032] OLG Hamm ZFE 2004, 378 (Ls.).

(2) Wechsel des Ausbildungsziels bzw. des Ausbildungsortes

 

Rz. 779

Die Rücksichtnahme auf den/die Unterhaltsschuldner gebietet es aber auch, dass sich das Kind über seine geänderten Ausbildungspläne mit dem/den Unterhaltsschuldner/n verständigt.[1034] Es muss daher jegliche Wechsel während der Ausbildung mit seinen Eltern beraten (§ 1618a),[1035] insb. die Gründe für den Abbruch der derzeitigen Ausbildung wie auch die Perspektiven der nachfolgenden Ausbildung schlüssig und nachvollziehbar darlegen, und versuchen, sich über die geänderten Ausbildungspläne mit den Eltern zu verständigen.[1036] Geschieht dies nicht, kann weder eine Überlegungs- noch eine Erfahrungsphase zugebilligt werden.[1037]

 

Rz. 780

Der Wechsel des Ausbildungsziels ist unbedenklich, wenn er einerseits auf sachlichen Gründen beruht[1038] und andererseits unter Berücksichtigung der gesamten Umstände den unterhaltspflichtigen Eltern wirtschaftlich zumutbar ist. Die schutzwürdigen Belange der Eltern gebieten es, dass sie sich möglichst frühzeitig darauf einrichten können, wie lange die Unterhaltslast andauern wird.[1039] Für die Annahme eines hinreichenden Grundes kann etwa der Umstand sprechen, dass zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht. Wirtschaftlich zumutbar ist der Wechsel des Ausbildungsziels aber auch dann, wenn sich dadurch aus der Sicht der Eltern die Ausbildungszeit nicht unzumutbar verlängert. Ein Wechsel der Ausbildung wird daher umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet. Abzustellen ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls. So soll kein zum Wegfall der Unterhaltspflicht führender Obliegenheitsve...

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