Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsabwehrantrag gegen Unterhaltstitel: Auskunftspflichtverletzung eines volljährigen Kindes gegenüber einem unterhaltspflichtigen Elternteil; Darlegungs- und Beweislastverteilung für Fortbestand eines Unterhaltstitels

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verletzt ein volljähriges Kind seine gegenüber einem unterhaltspflichtigen Elternteil bestehende Auskunftspflicht, kann dies nach § 1611 Abs. 1 BGB zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führen.

2. Die hartnäckige Verweigerung einer Auskunftserteilung stellt sich als eine der Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel entgegenstehende, gegen § 242 BGB verstoßende unzulässige Rechtsausübung dar, die der unterhaltspflichtigen Elternteil als Einwendung mit einem Vollstreckungsabwehrantrag geltend machen kann.

3. Ein volljähriger Unterhaltsberechtigter trägt die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, die den Fortbestand des Unterhaltstitels rechtfertigen.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1, §§ 238, 238 ff; BGB §§ 242, 1605 Abs. 1, § 1606 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, §§ 1610, 1611 Abs. 1; ZPO § 767

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 24.04.2015; Aktenzeichen 84 F 376/14)

 

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des AG Schöneberg vom 24.4.2015 - 84 F 376/14 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist die Mutter des am 5.6.1996 geborenen Antragsgegners, der seine allgemeine Schulausbildung abgeschlossen hat. In der vollstreckbaren Urkunde des Bezirksamtes ... von Berlin ..., vom 4.12.2007 verpflichtete sie sich, dem Antragsgegner 100 % des Regelbetrages der 2. und 3. Altersstufe abzüglich des nach § 1612b Abs. 1, Abs. 5 BGB anzurechnenden Kindergeldes für ein 3. Kind zu zahlen. In der Vergangenheit sind auf der Grundlage dieses zeitlich unbefristeten Titels erhebliche Unterhaltsrückstände aufgelaufen. Mit Anwaltsschreiben vom 23.9.2014 bat die Antragstellerin den Antragsgegner um Auskunft über seinen Schulabschluss, seine Ausbildung, eine ggfl. nebenher betriebene Erwerbstätigkeit, sein Einkommen und das seines Vaters bis zum 10.10.2014. Die Aufforderung blieb erfolglos. Mit ihrem nach vorangegangenem VKH-Verfahren am 4.2.2015 rechtshängig gewordenen Antrag hat sie beantragt, die Vollstreckung aus der Urkunde vom 4.12.2006 ab Rechtshängigkeit für unzulässig zu erklären, hilfsweise hat sie Stufenantrag auf Auskunft und Abänderung der Unterhaltsurkunde erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, es bestünde derzeit keine Unterhaltspflicht. Im Übrigen ändere der Eintritt der Volljährigkeit auf Seiten des Antragsgegners die Rechtslage. Da der Antragsgegner die von ihr gewünschten Auskünfte nicht erteilt habe, könne sie nicht einschätzen, ob und aufgrund welcher rechtlichen Grundlage der Antragsgegner noch einen Anspruch auf Unterhalt habe.

Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe die falsche Klageart gewählt. Für ihr Begehren sei ein Abänderungsantrag einschlägig. Für die Voraussetzungen einer Abänderung sei sie aber beweisbelastet. Er sei nicht gehalten, die "Vollstreckungsabwehrklage" rund zu machen.

Das AG hat dem Vollstreckungsabwehrantrag mit Beschluss vom 24.4.2015 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Unterhaltsanspruch des Antragsgegners entfalle, weil er der Antragstellerin keine Auskunft über die mit Schreiben vom 23.9.2014 an ihn gestellten Fragen erteilt habe. Es sei treuwidrig, die Antragstellerin insoweit darauf zu verweisen, ihn in einem Gerichtsverfahren auf Auskunft in Anspruch zu nehmen. Der Einwand der Verwirkung könne mit dem Vollstreckungsabwehrantrag geltend gemacht werden.

Der Beschluss ist dem Antragsgegner am 20.5.2015 zugestellt worden. Am 12.6.2015 hat er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine hiergegen gerichtete Beschwerde beantragt.

Er hält weiterhin an seiner Auffassung fest, der Vollstreckungsabwehrantrag sei die falsche Antragsart. Der Eintritt seiner Volljährigkeit sei mittels Abänderungsantrages geltend zu machen, der aber einen Vollstreckungsabwehrantrag ausschließe. Die Nichtbeantwortung des Auskunftsantrages könne nicht zur Konsequenz haben, dass statt des Abänderungsantrages der Vollstreckungsabwehrantrag begründet sei. Wenn die Antragstellerin zur Begründung eines Abänderungsantrages nicht in der Lage sei, müsse sie eben von ihren rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, ihn zu einer Auskunft zu zwingen. Im Rahmen des Vollstreckungsabwehrantrages könne es jedenfalls nicht zu einer Beweislastumkehr kommen, wie dies der angegriffene Beschluss vorsehe.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen, da das vom Antragsgegner beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat i.S.d. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Verfahrenskostenhilfe für eine erst beabsichtigte Beschwerde beantragt wird, und diese mit Schriftsatz vom 11.6.2015 nur angekündigt und nicht unter d...

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