Rz. 714

Das Bundeskabinett beschloss am 15.12.2010 die Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des ersatzweisen Zivildienstes zum 1.3.2011. Als Reaktion auf die Aussetzung der Wehrpflicht wurde im Jahr 2011 der Bundesfreiwilligendienst (BFD, vgl. BFDG) als Initiative zur freiwilligen, gemeinnützigen und unentgeltlichen Arbeit in Deutschland eingeführt.

Daneben besteht für das volljährige minderjährige Kind die Möglichkeit ein freiwilliges soziales bzw. ökologisches Jahr abzuleisten.

aa) Der Bundesfreiwilligendienst

 

Rz. 715

Der BFD ist als Vollzeitbeschäftigung angelegt, allerdings wird er ohne Erwerbsabsicht außerhalb einer Berufsausbildung abgeleistet (§ 2 Nr. 2 BDFG). Der Dienst ist als ganztägige, überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen, insbesondere der Kinder- und Jugendhilfe, angelegt (§ 3 Abs. 1 BDFG).

 

Rz. 716

Vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des BFD erscheint höchst fraglich, ob im Hinblick auf den Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung des § 1602 ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern während der Ableistung des BFD überhaupt gegeben ist.[923]

 

Rz. 717

Der Bund schließt mit der/dem Freiwilligen eine schriftliche Vereinbarung, die Grundlage des BFD nach § 8 Abs. 1 BFD ist, zur Begründung eines öffentlichen Dienstes eigener Art ab.[924] In dieser Vereinbarung müssen unter anderem alle Geld- und Sachleistungen aufgeführt werden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BDFG). Gegebenenfalls erhält die/der Freiwillige ein angemessenes Taschengeld (§ 2 Nr. 4a BFDG) in Höhe von 6 % der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Rz. 718

Es sollen nun die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des BGH zum Bedarf des Kindes während Ableistung des Zivildiensts herangezogen werden.[925] Auf die Zeit des Zivildienstes wurden in der Vergangenheit die Vorschriften für Soldaten im Grundwehrdienst entsprechend angewendet (§ 35 ZDG). Der allgemeine Lebensbedarf wurde während des Wehr- und Zivildienstes gedeckt, sodass der Sold bzw. die Vergütung in voller Höhe dem volljährigen Kind verblieben.[926]

M. E. hinkt der Vergleich zwischen BFD und Wehr- bzw. Zivildienst, da Ersterer unentgeltlich erbracht wird. Ein finanzieller Ausgleich erfolgt alleine über das Taschengeld, der allgemeine Lebensbedarf wird über Sachbezüge gedeckt. Ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern kann also während der Ableistung des BFD nur gegeben sein, wenn dessen Aufnahme mit den Eltern abgesprochen worden ist. Schlussendlich fehlt es an einer "Ausbildung" des Kindes.

[923] Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 721.
[924] BT-Drucks 17/4803, S. 17.
[925] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 486; Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 723.
[926] BGH FamRZ 1994, 303.

bb) Das freiwillige soziale bzw. ökologische Jahr

 

Rz. 719

Während des freiwilligen sozialen bzw. ökologischen Jahres ist das volljährige Kind grundsätzlich unterhaltsberechtigt,[927] wenn die soziale bzw. ökologische Tätigkeit des Kindes als Voraussetzung für eine sich anschließende Ausbildung gefordert wird[928] oder das Kind während seines Freiwilligendienstes berufliche Erfahrungen sammeln und sich orientieren kann, wovon es im Rahmen einer angestrebten Ausbildung später profitieren können wird.[929]

 

Rz. 720

 

Praxistipp

Sofern das freiwillige soziale bzw. ökologische Jahr nicht Voraussetzung für eine spätere Ausbildung ist, kann nach zu der hier vertretenen Auffassung zum BFD ein Unterhaltsanspruch nur verneint werden, es sei denn die Ableistung des freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres erfolgt in Absprache mit den Eltern.

 

Rz. 721

Die Höhe des Bedarfs des volljährigen Kindes beurteilt sich danach, inwieweit Geld- und Sachbezüge im Rahmen des freiwilligen sozialen bzw. ökologischen Jahres den Unterhaltsbedarf decken. In der Regel erhält das Kind im Rahmen seiner Tätigkeit Unterkunft und Verpflegung, Taschengeld und Sozialversicherung, sodass zumindest diesbezüglich der Bedarf gedeckt ist.[930] Die übrige Beurteilung hat an den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen, wobei die Bedarfsermittlung grundsätzlich den allgemeinen Grundsätzen folgt und daher davon abhängt, ob das volljährige Kind bei seinen Eltern oder einem Elternteil lebt (vgl. Rdn 669) oder einen eigenen Hausstand unterhält (vgl. Rdn 670 ff.).[931]

[927] OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.4.2018 – 2 UF 135/17, FamRZ 2018, 1314; Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 725.
[928] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 489; OLG Naumburg FamRZ 2008, 86.
[929] OLG Hamm FamRZ 2015, 1200.
[930] OLG München OLGR 2002, 142 = FamRZ 2002, 1425 (Ls.).
[931] Eschenbruch/Schwonberg, Kap. 2 Rn 726 und 727 m.w.N.

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