Rz. 898

Bei beiderseitiger Leistungsfähigkeit sind grundsätzlich dem volljährigen Kind gegenüber beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Für den Bedarf ihres volljährigen Kindes haften die Eltern anteilig nach dem Verhältnis ihrer verfügbaren Einkommen (§ 1606).[1251]

[1251] BGH FamRZ 2009, 762 = FuR 2009, 409.

a) Das volljährige Kind im Haushalt der Eltern

 

Rz. 899

Lebt das volljährige Kind bei seinen nicht getrennten Eltern in deren Haushalt stellt sich das Problem der anteiligen Haftung der Eltern nicht. Das volljährige Kind erhält Naturalunterhalt als Teil des Familienunterhalts. Die Eltern haben – zumindest konkludent – eine diesbezügliche Bestimmung nach § 1612 Abs. 2 Satz 1 vorgenommen.

 

Rz. 900

 

Praxistipp

Die Eltern schulden dem volljährigen Kind, das in ihrem Haushalt lebt, Unterhaltsleistung in Geld nur ausnahmsweise, nämlich wenn ein Elternteil oder beide ihre Pflicht verletzen, zum Familienunterhalt beizutragen.[1252]

[1252] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 560.

b) Das volljährige Kind im Haushalt eines Elternteils

 

Rz. 901

Lebt das volljährige Kind im Haushalt eines getrennt lebenden Elternteils, schulden beide Elternteile entsprechend ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen dem Kind Barunterhalt, da Betreuungsunterhalt dem volljährigen Kind nicht mehr geschuldet wird.[1253] Allerdings scheidet die Inanspruchnahme auf Barunterhalt des Elternteils, bei dem das Kind lebt, in der Regel aus, da das volljährige Kind von diesem Naturalunterhalt erhält.

c) Das volljährige Kind mit eigenem Hausstand

 

Rz. 902

Unterhält das volljährige Kind einen eigenen Haushalt haften beide Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen für den Barunterhalt des volljährigen Kindes.

d) Ermittlung der (anteiligen) Haftungsquoten der Eltern

 

Rz. 903

Für den Restbedarf, mithin den Barunterhalt, haften die Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

aa) Der Restbedarf des volljährigen Kindes

 

Rz. 904

Die Eltern haften nur für den Restbedarf ihres volljährigen Kindes. Das bedeutet, dass vom Lebensbedarf des Kindes seine – anrechenbaren – Einkünfte sowie das Kindergeld in voller Höhe gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (bedarfsmindernd) in Abzug zu bringen sind.

 

Rz. 905

 

Schema zur Ermittlung des Restbedarfs des volljährigen Kindes

Feststellung und Bezifferung des gesamten Lebensbedarfs des volljährigen Kindes anhand der Tabellen und Leitlinien,
Ermittlung des anrechnungsfähigen Einkommens des volljährigen Kindes durch Abzug des Erwerbsaufwands u.a.,
bedarfsmindernde Anrechnung eigenen Einkommens des volljährigen Kindes und
bedarfsmindernde Anrechnung des Kindergelds in voller Höhe,

ergibt den Restbedarf des volljährigen Kindes.

bb) Leistungsfähigkeit der Eltern

 

Rz. 906

Für diesen Restbedarf haften die Eltern anteilig[1254] gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 nach ihrer Leistungsfähigkeit,[1255] also nach den ihnen nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkommensermittlung zu Unterhaltszwecken tatsächlich vorhandenen Mittel.[1256] Der Umfang der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils ist anhand seines Einkommens und der unterhaltsrechtlich gebotenen Abzüge zu ermitteln.

 

Rz. 907

Im Wesentlichen[1257] verringert sich das jeweilige Einkommen um

die gesetzlichen Abzüge, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Altersvorsorge (primär und sekundär),
Verbindlichkeiten, sofern diese unterhaltsrechtliche zu berücksichtigen sind,
Kosten für krankheitsbedingten Mehrbedarf,[1258]
Kosten für die Betreuung minderjähriger Kinder oder Betreuungsbonus,[1259] sofern die Betreuung tatsächlich – noch – erforderlich ist,[1260]
Unterhaltszahlung an nach § 1609 vorrangig berechtigte Unterhaltsschuldner.
 

Rz. 908

Allerdings geht der BGH[1261] davon aus, dass bei durchschnittlichen Einkünften keine schematische Quotierung proportional zur Höhe der beiderseitigen Einkommen vorzunehmen, sondern eine wertende Betrachtung geboten ist, um eine unterschiedliche Belastung der Bezieher unterschiedlich hoher Einkünfte zu vermeiden.[1262] In welcher Weise dies geschieht, unterliegt weitgehend der Beurteilung des Tatrichters. Eine billigenswerte Methode, um dem Rechnung zu tragen, bestehe – so der BGH – darin, die Haftungsquoten erst nach dem Abzug der für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge (Selbstbehalt) nach dem Verhältnis der verbleibenden Mittel zu bestimmen, wie es einer verbreiteten Praxis entspricht.[1263]

Daher ist der jeweilige Elternteil nur leistungsfähig, soweit sein Resteinkommen seinen angemessenen Selbstbehalt in Höhe von derzeit 1.650 EUR übersteigt.

 

Rz. 909

 

Praxistipp

Auch hinsichtlich des Selbstbehalts gelten die allgemeinen Grundsätze. So ist dieser z.B. wegen Synergie-Effektes einer neuen Partnerschaft zu reduzieren.

[1254] BGH FamRZ 1988, 159; FamRZ 1985, 917.
[1255] BGH FamRZ 1986, 153.
[1256] BGH FamRZ 1988, 1039.
[1257] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 569 ff.
[1258] BGH FamRZ 1995, 537.
[1259] BGH FamRZ 1991, 182.
[1260] BGH FamRZ 1988, 1039.
[1261] FamRZ 1986, 151 = FuR 2002, 223.
[1262] Hauß, FamRB 2002, 195.
[1263] BGH FamRZ 1986, 151 m.w.N.

cc) Die Ermittlung der Haftungsquote

 

Rz. 910

Die Ermittlung der Haftungsquote kann als Formel wie folgt dargestellt werden:

 
Restbedarf x Einkommen des Elternteils
Summe der Einkommen beider Elternteile

In Worten:

Der Restbedarf des volljährigen Kindes wi...

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