Rz. 86

Der angemessene Unterhalt des § 1610 Abs. 1 umfasst nach Abs. 2 den gesamten Lebensbedarf, also den Bedarf des täglichen Lebens, ohne Schulden und eigene Unterhaltslasten des Berechtigten.[103] Mithin umfasst er im Rahmen der Angemessenheit und der Erziehungsziele alle Lebensbedürfnisse, einschließlich der Kosten für Erziehung und Berufsausbildung. Zum Unterhaltsbedarf gehören also die zum Leben unentbehrlichen Aufwendungen für Wohnen, Ernährung, Kleidung, Unterrichtsmaterialien, sofern diese nicht von der öffentlichen Hand getragen werden,[104] aber auch die Befriedigung geistiger, kultureller, sportlicher oder sonstiger Interessen.[105] Ferner gehören zum Unterhaltsbedarf in angemessenem Umfang Aufwendungen für Spielzeug,[106] altersgerechtes Taschengeld, dessen Höhe der oder die Sorgeberechtigte(n) bestimmt bzw. bestimmen[107] (alle Lebenshaltungskosten[108]). Des Weiteren sind im Unterhaltsbedarf die Kosten für Gesundheits- und Krankenfürsorge enthalten.[109] Die für diesen Elementarunterhalt anfallenden Kosten sind aus der Barunterhaltszahlung zu bestreiten.

 

Rz. 87

 

Praxistipp

Der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes richtet sich grundsätzlich gegen beide Elternteile. In der Regel leistet ein Elternteil, nämlich der, bei dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Betreuungsunterhalt (Pflege und Erziehung des Minderjährigen), der andere Elternteil Barunterhalt. Beide Unterhaltsleistungen stehen gleichwertig nebeneinander.

[103] Weinreich/Eder, § 1610 Rn 96.
[104] BGH FamRZ 1983, 473.
[106] BVerfG NJW 1993, 1218.
[107] Grüneberg/von Pückler, § 1610 Rn 9.
[108] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 326.
[109] BGH FamRZ 1988, 159, 161; FamRZ 1983, 473.

a) Die Behandlung der Wohnkosten

 

Rz. 88

Die Kosten für Wohnen sind als Lebensbedarf des Minderjährigen im Zahlbetrag gemäß der Düsseldorfer Tabelle enthalten.[110] Der Wohnbedarf des minderjährigen Kindes beträgt in der Regel die Hälfte des Wohnbedarfs eines Erwachsenen.[111]

 

Rz. 89

Aufgrund des Umstands, dass das minderjährige Kind mit dem betreuenden Elternteil zusammenlebt, kommt es zu einer Ersparnis, nämlich insoweit, als die Aufwendungen des betreuenden Elternteils für die von ihm und dem/n Kind/ern benutzten Räumen durch den Barunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle bezahlt sind.[112] Diese Ersparnis ist allerdings nur gering, sodass Gleiches für den Ansatz der Wohnkosten gilt.

 

Rz. 90

 

Praxistipp

Die weitverbreitete (anwaltliche) Übung, Wohnkosten nur beim Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen, ist verfehlt.[113]

 

Rz. 91

Grundsätzlich können die Wohnkosten im Verhältnis der Anzahl der Bewohner verteilt werden. Das führt z.B. zu einer Aufteilung der Wohnkosten im Verhältnis 2:1:1, wenn diese für einen Erwachsenen und zwei Kinder anfallen.[114] Die Wohnkosten können aber auch mit 20 % des Tabellensatzes angesetzt werden.[115]

 

Rz. 92

 

Praxistipp

Der Ansatz der Wohnkosten mit 20 % des Tabellenbetrags führt jedoch nicht zur Kürzung des Zahlbetrags um 20 %. Der betreuende Elternteil kann den Teil der Unterhaltszahlung zu seinen Händen zur Deckung der Wohnkosten verwenden.

Der Barunterhaltszahlbetrag kann auch dann nicht um den für Wohnkosten enthaltenen Betrag in Höhe von 20 % gekürzt werden, wenn der Barunterhaltspflichtige die Kosten der vom betreuenden Elternteil und dem Unterhaltsgläubiger bewohnten Wohnung trägt, z.B. durch Bedienung der Darlehen bei Wohnungseigentum, da ein Teil des Bedarfs des Kindes durch Naturalunterhalt gedeckt wird.[116]

[110] BGH FamRZ 2006, 99 m. Anm. Viefhues und Scholz; FamRZ 1989, 1160; FamRZ 1992, 423 = FuR 2006, 79; FamRZ 2006, 1597 = FuR 2006, 510.
[111] OLG Hamburg FamRZ 1991, 472.
[112] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 124 a.E. und Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 326.
[113] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 326.
[114] So BGH FamRZ 1988, 921, 925.
[115] SüdL (21.5.2), Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 326; AG Meschede, Beschl. v. 25.9.2017 – 7 F 518/17, FamRZ 2018, 502.
[116] BGH FamRZ 2022, 1366.

b) Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge

 

Rz. 93

Anders als die Kosten für notwendige Krankheits- und Pflegevorsorge sind Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht Teil des Elementarunterhalts.[117] Die Sätze der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigen nicht diese Beiträge unter der Vorgabe, dass das minderjährige Kind gemäß § 1612 Abs. 1 Satz 2 in der gesetzlichen Familienversicherung gegen Krankheit mitversichert ist (§ 10 Abs. 2 SGB V). In den Fällen, in denen das nicht so ist, wie zum Beispiel bei Richtern, Beamten, Soldaten und Selbstständigen stellen die Kosten für Krankenversicherungsbeiträge einen Bedarf des minderjährigen Kindes dar, der vom Barunterhaltsschuldner zu tragen ist.[118]

 

Rz. 94

 

Praxistipp

In dem Fall, dass der Unterhaltsberechtigte nicht familienkrankenversichert ist, muss das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen um die Kosten der Krankenversicherung des Kindes reduziert werden.

 

Rz. 95

Auch wenn das minderjährige Kind vor Trennung der Eltern privat krankenversichert war, hat es gegen den Barunterhaltspflichtigen außerhalb der Beträge der Düsseldorfer Tabelle einen Anspruch auf Zahlung der Beiträ...

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