Rz. 629

Bei der Prüfung des Umstandsmoments ist darauf abzustellen, ob sich der Unterhaltsschuldner darauf verlassen und mithin seine Ausgaben- und Lebensplanung darauf einrichten durfte, dass er vom Unterhaltsschuldner nicht mehr auf Zahlung in Anspruch genommen werde.

 

Rz. 630

Die Abwägung muss vor dem Hintergrund erfolgen, dass die Unterhaltszahlung den Lebensbedarf des Unterhaltsgläubigers decken soll, der Unterhaltsschuldner also bedürftig und auf die Unterhaltszahlung angewiesen ist. Im Besonderen gilt dies für Unterhaltszahlbeträge, die dem Mindestunterhalt entsprechen oder darunter liegen. Sofern Unterhaltsansprüche im Bereich des Mindestunterhalts oder darunter, während des Zeitraums von einem Jahr nicht verfolgt werden, kann sich m.E. der Schuldner darauf einstellen, dass er hinsichtlich dieser Rückstände nicht mehr in Anspruch genommen werde, da der Unterhaltsgläubiger den Anschein fehlender Bedürftigkeit erweckt.

 

Rz. 631

 

Praxistipp

Es ist jedenfalls Sache des Unterhaltsschuldners, zu den Umstandsmomenten vorzutragen.

 

Rz. 632

Der Unterhaltsgläubiger kann den Eintritt der Verwirkung hindern, indem er den Schuldner regelmäßig und ernsthaft zur Zahlung auffordert,[834] die Ansprüche rechtshängig macht, wobei Stufenantrag nur dann genügt, wenn der Rechtstreit nach Erledigung der jeweiligen Stufen vom Antragsteller zeitnah weiterbetrieben wird,[835] oder bei bereits erfolgter Titulierung der Ansprüche regelmäßig Vollstreckungsversuche unternimmt.[836]

 

Rz. 633

M. E. ist das Umstandsmoment bei Untätigkeit des Unterhaltsgläubigers – in Zusammenschau mit dem Zeitmoment – über den Zeitraum eines Jahres hinweg erfüllt. In der familiengerichtlichen Praxis wird oftmals ein "Mehr" im Sachverhalt verlangt, damit sich der Unterhaltsschuldner darauf verlassen können soll, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Damit wird m.E. die Anforderung an das Umstandsmoment vor dem Hintergrund der Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers jedoch überspannt.

Im Umkehrschluss soll mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gerade bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht lange – auf keinen Fall länger als ein Jahr – zugewartet werden.

[836] OLG München OLGR 2002, 68.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge