Rz. 801

Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt erstreckt sich grundsätzlich nur auf eine Ausbildung. Da Ausbildungsunterhalt für die Dauer einer Ausbildung nur insgesamt bejaht oder verneint werden kann,[1095] ist eine einheitliche Ausbildung – keine Zweitausbildung![1096] – aufgrund geänderten Ausbildungsverhaltens[1097] auch dann (noch) anzunehmen, wenn sie aus mehreren, an sich selbstständigen Ausbildungsabschnitten besteht (sog. mehrstufige Ausbildung), sofern diese inhaltlich miteinander korrespondieren (fachlicher Zusammenhang) und in zeitlich enger Abfolge absolviert werden (zeitlicher Zusammenhang). Eine solche gestufte Ausbildung setzt eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung voraus.[1098] So knüpft regelmäßig ein Hochschulstudium an eine andere Ausbildung an (Ausbildungswege: Abitur-Lehre/Volontariat/Studium bzw. Haupt- oder Realschule/Lehre/Abitur/Studium),[1099] kann aber auch die Weiterbildung eines Handwerkers zum Meister umfassen.[1100]

 

Rz. 802

Die Anforderungen hinsichtlich der Angemessenheit einer weiteren Ausbildung bedürfen mit zunehmendem Alter des Kindes der besonders sorgfältigen Prüfung.[1101] Der weitere Abschnitt einer mehrstufigen Ausbildung setzt erst recht entsprechende Begabung, Fähigkeiten, beachtenswerte Neigungen und den Leistungswillen des Unterhalt begehrenden Kindes voraus.[1102] Je älter ein Kind bei Aufnahme einer Ausbildung ist, und je eigenständiger es seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt die Elternverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg zurück. Diese Voraussetzungen fehlen, wenn Ausbildungs-Teilziele[1103] nicht, nur nach langer Zeit[1104] oder nur durch Wiederholungen von Prüfungen erreicht wurden.[1105] Andererseits verhindert das Nichtbestehen eines sprachlichen Tests im Rahmen einer betrieblichen Fortbildung während des ersten (praktischen) Ausbildungsabschnitts nicht die Aufnahme eines Sprachenstudiums.[1106]

[1095] BGH FamRZ 1990, 149.
[1096] BGH FamRZ 1977, 629.
[1097] BGH FamRZ 1989, 853 (Nr. 221); OLG Bremen FamRZ 1989, 892; OLG Stuttgart FamRZ 1996, 181.
[1098] BVerwG FamRZ 1978, 72.
[1099] KG FamRZ 1994, 1055; OLG Brandenburg FamRZ 1997, 1107.
[1100] OLG Stuttgart FamRZ 1996, 1435.
[1101] BGH FamRZ 1998, 671 = FuR 1998, 216 = FuR 2000, 92.
[1102] OLG Schleswig FamRZ 1992, 593.
[1103] OLG Stuttgart NJW 1979, 1166.
[1104] OLG Köln NJWE-FER 1999, 178.
[1105] OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 1386; OLG Oldenburg FamRZ 1985, 128.

(a) Mehrstufiger Ausbildungsweg Abitur-Lehre/Volontariat-Studium/Bachelor-Master

 

Rz. 803

Für den mehrstufigen Ausbildungsweg Abitur-Lehre/Volontariat-Studium kommt es nicht darauf an, dass die Entscheidung zur Weiterbildung schon von Anfang der Ausbildung an bestand, oder dass besondere die Weiterbildung erfordernde Neigungen und Begabungen des Kindes bereits während der Erstausbildung deutlich wurden. Die Einheitlichkeit der Ausbildung ist auch dann noch zu bejahen, wenn der Entschluss, zu studieren, erst nach Beginn der ersten Ausbildung (regelmäßig: Lehre) – sogar noch nach deren Beendigung[1107] – gefasst worden ist: Das Hochschulstudium muss nur mit den vorausgegangenen Ausbildungsabschnitten in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, und die Finanzierung dieses Ausbildungsgangs muss den Eltern wirtschaftlich zumutbar sein.[1108] Dies gilt auch in den Fällen, in denen nach abgeschlossenem Bachelor-Studium ein Master-Studium aufgenommen wird. Besteht zwischen dem Bachelor- und dem sich anschließenden Master-Studium ein enger zeitlicher und thematischer Zusammenhang (sog. konsekutives Master-Studium), dann handelt es sich insgesamt um eine einheitliche Ausbildung.[1109]

[1107] BGH FamRZ 1989, 853; OLG Bremen FamRZ 1989, 892.
[1108] BGH FamRZ 1989, 853; OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 1386; OLG Hamm FamRZ 1992, 592; OLG Schleswig FamRZ 1992, 593.

(b) Mehrstufiger Ausbildungsweg Realschule-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschulstudium

 

Rz. 804

Der mehrstufige Ausbildungsweg Realschule-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschulstudium[1110] stellt hingegen keine einheitliche Berufsausbildung dar. Die zur sogenannten Abitur-Lehre-Studium entwickelte Rechtsprechung zum Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ist nicht entsprechend auf den Fall der Aufnahme eines Studiums nach Mittlerer Reife und anschließender Berufsausbildung anzuwenden.[1111] Daher besteht nach Abschluss der Lehre grundsätzlich kein Unterhaltsanspruch (mehr),[1112] wenn diese Entwicklung nicht von Beginn der praktischen Ausbildung an erkennbar war.[1113] Die Eltern müssen sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben.[1114] Ein einheitlicher Ausbildungsgang liegt etwa dann nicht vor, wenn das Kind nach dem Hauptschulabschluss eine Lehre absolviert, über die Berufsaufbauschule die mittlere Reife erzielt, dann das berufliche Gymnasium mit dem Ziel Wirtschaftsabitur besucht wird und sich sodann ein Studium anschließen soll.[1115]

 

Rz. 805

 

Praxistipp

Ausnahmsweise wird jedoch eine unterhaltspflichtige Gesamtausbildung bejaht, wenn und soweit der Entschluss zu studieren, bereits zu Beginn der Leh...

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