Rz. 29

Das Arbeitsrecht hält eine Vielzahl von Fristen parat, die nicht mit den allgemeinen prozessualen und materiellen Fristen deckungsgleich sind, weil das gesamte Arbeitsrecht vom sog. Beschleunigungsgrundsatz geprägt ist (vgl. auch § 9 Abs. 1 ArbGG).

1. Prozessuale Fristen

 

Rz. 30

Ausfluss des arbeitsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes, der sich auch in der Pflicht der Arbeitsgerichte zur besonderen und vorrangigen Förderung von Kündigungsverfahren nach Maßgabe des § 61a ArbGG manifestiert, ist es bspw., dass

die Frist zum Widerspruch gegen einen Mahnbescheid nur eine Woche beträgt, da gem. § 46a Abs. 3 ArbGG die in den Mahnbescheid nach § 692 Abs. 1 Nr. 3 der Zivilprozessordnung aufzunehmende Frist nur eine Woche beträgt;
die Zustellung der Klage mindestens eine Woche vor dem Verhandlungstermin ausreichend und eine Aufforderung an den Beklagten, sich auf die Klage schriftlich zu äußern, entbehrlich sind (§§ 4780 ArbGG, §§ 217274 ZPO);
Beschlüsse über die Ablehnung von Richtern nach § 49 Abs. 3 ArbGG unanfechtbar sind; die streitige Verhandlung sich direkt an die erfolglose Güteverhandlung anschließt und bei Nichterscheinen oder Nichtverhandeln der Parteien in der Güteverhandlung das Ruhen des Verfahrens angeordnet wird, § 54 Abs. 4 und 5 ArbGG;
der Antrag auf Wiederaufnahme des ruhenden Verfahrens und Terminsbestimmung nur innerhalb von sechs Monaten nach der Güteverhandlung gestellt werden kann, ansonsten die Klage als zurückgenommen gilt, § 54 Abs. 5 ArbGG, mit der Folge, dass eine fristwahrend erhobene Kündigungsschutzklage ihre Wirkung verliert;
der Vorsitzende eine weitreichende Alleinentscheidungskompetenz in den in § 55 ArbGG genannten Fällen sowie die Pflicht zur Vorbereitung der streitigen Verhandlung in der Weise hat, dass sie möglichst in einem Termin beendet wird (§ 56 ArbGG);
verspätetes Vorbringen grds. von den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht mehr berücksichtigt und nach §§ 56 Abs. 2, 67 Abs. 4 ArbGG zurückgewiesen wird;
die Konzentration auf eine mündliche Verhandlung dazu führt, dass etwaig erforderliche Folgetermine meist am Ende der Sitzung verkündet werden und keine gesonderte Ladung mehr ergeht, § 57 Abs. 1 ArbGG;
Urteile und Beschlüsse nach § 60 ArbGG binnen drei Wochen zuzustellen sind Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen nur einmal verlängert werden können, §§ 66 Abs. 1 S. 4, 74 Abs. 1 S. 2 ArbGG;
die Einspruchsfrist gegen Versäumnisurteile von zwei Wochen nach § 339 ZPO auf eine Woche abgekürzt ist, § 59 S. 1 ArbGG;
Urteile sofort nach der mündlichen Verhandlung zu verkünden sind, § 60 Abs. 1 ArbGG, und die Verkündung bei ausbleibender Zustellung des in vollständig abgefassten Urteils für Berufungs- und Begründungsfrist maßgeblich ist, § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG;
eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG gem. § 61b Abs. 1 ArbGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden muss;
die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a Abs. 3 S. 1 ArbGG eine nicht verlängerbare Notfrist ist.

2. Die Fristen des KSchG

a) Überblick über die Fristen des KSchG

 

Rz. 31

Ganz erhebliche Bedeutung kommt der Klagefrist von drei Wochen des § 4 S. 1 KSchG zu, innerhalb derer nicht nur die Sozialwidrigkeit, sondern auch sonstige Unwirksamkeitsgründe geltend zu machen sind: Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.[15]

 

Rz. 32

Die Vorschrift gilt auch für außerordentliche Kündigungen (§ 13 Abs. 1 S. 2 KSchG) und für Änderungskündigungen (vgl. dazu auch § 2 S. 2 KSchG), und zwar grds. auch ohne Rücksicht auf die Betriebsgröße und die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG (vgl. dazu im Einzelnen § 23 Abs. 1 KSchG).[16] Die 3-Wochen-Frist beginnt mit Zugang der schriftlichen Kündigung bzw. – sofern die Wirksamkeit der Kündigung auch der Zustimmung einer Behörde bedarf – mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer, § 4 S. 1 und 4 KSchG.

 

Rz. 33

 

Praxistipp

Bei der Frage nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sollten Anwälte nicht unkritisch die Angaben ihrer Mandanten übernehmen, sondern die näheren Einzelheiten des Zugangs in Erfahrung bringen. Denn es ist nicht selten und vom Anwalt zu vergegenwärtigen, dass mehrfache Kündigungen ausgesprochen werden oder Kündigungen nicht nur postalisch, sondern auch durch Übergabe oder per Boten übermittelt werden. Jedenfalls bei Zweifeln muss ein Anwalt deshalb die Frist ab dem im Kündigungsschreiben angegebenen Datum berechnen.[17]

 

Rz. 34

Haftungsrelevant kann die Vorschrift des § 4 S. 1 KSchG auch sein, weil für Kündigungsschutzklagen gem. § 4 KSchG die Theorie des punktuellen Streitgegenstands nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einschlägig ist, laut der grds. nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerade dur...

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