Rz. 31

Ganz erhebliche Bedeutung kommt der Klagefrist von drei Wochen des § 4 S. 1 KSchG zu, innerhalb derer nicht nur die Sozialwidrigkeit, sondern auch sonstige Unwirksamkeitsgründe geltend zu machen sind: Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.[15]

 

Rz. 32

Die Vorschrift gilt auch für außerordentliche Kündigungen (§ 13 Abs. 1 S. 2 KSchG) und für Änderungskündigungen (vgl. dazu auch § 2 S. 2 KSchG), und zwar grds. auch ohne Rücksicht auf die Betriebsgröße und die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG (vgl. dazu im Einzelnen § 23 Abs. 1 KSchG).[16] Die 3-Wochen-Frist beginnt mit Zugang der schriftlichen Kündigung bzw. – sofern die Wirksamkeit der Kündigung auch der Zustimmung einer Behörde bedarf – mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer, § 4 S. 1 und 4 KSchG.

 

Rz. 33

 

Praxistipp

Bei der Frage nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sollten Anwälte nicht unkritisch die Angaben ihrer Mandanten übernehmen, sondern die näheren Einzelheiten des Zugangs in Erfahrung bringen. Denn es ist nicht selten und vom Anwalt zu vergegenwärtigen, dass mehrfache Kündigungen ausgesprochen werden oder Kündigungen nicht nur postalisch, sondern auch durch Übergabe oder per Boten übermittelt werden. Jedenfalls bei Zweifeln muss ein Anwalt deshalb die Frist ab dem im Kündigungsschreiben angegebenen Datum berechnen.[17]

 

Rz. 34

Haftungsrelevant kann die Vorschrift des § 4 S. 1 KSchG auch sein, weil für Kündigungsschutzklagen gem. § 4 KSchG die Theorie des punktuellen Streitgegenstands nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einschlägig ist, laut der grds. nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerade durch die angegriffene Kündigung und zu dem in ihr vorgesehenen Termin streitgegenständlich ist. Anders gewendet entfaltet eine auf die Kündigung A beschränkte Klage keine fristwahrende Wirkung für eine auch ausgesprochene Kündigung B.[18]

 

Rz. 35

Für Anwälte, die auf Arbeitgeberseite tätig sind, kann die Frage des Streitgegenstands ebenfalls haftungsträchtig sein. Vor allem wenn der Arbeitgeberanwalt – wie nicht selten – mit einem nur rudimentären Sachvortrag, dessen genauer Inhalt nur im Wege der Auslegung ermittelt werden kann, konfrontiert ist, sollte er sich nicht zu sicher fühlen, dass er mit den Interessen des Arbeitgebers durchdringt: Um dem Gebot des sichersten Weges Rechnung zu tragen, ist laut einer Entscheidung des LG Düsseldorf in dieser Situation der Klientel zu empfehlen, dem gekündigten Mitarbeiter eine Prozessbeschäftigung zu den aktuellen Konditionen ihres Arbeitsvertrages anzubieten. Denn bei Ablehnung dieses Angebots müssten sich Arbeitnehmer die ihnen angebotene Vergütung wegen böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs nach § 11 KSchG auf ihre Bezüge anrechnen lassen; und bei Zustandekommen eines solchen Prozessarbeitsverhältnisses hätte der Arbeitgeber keinen wirtschaftlichen Nachteil, weil er für die Vergütung die Arbeitsleistungen seines Mitarbeiters erhielte.[19]

 

Rz. 36

 

Praxistipp

Aus Gründen der Vorsorge empfiehlt sich daher für Arbeitnehmeranwälte regelmäßig, neben einer konkreten Kündigungsschutzklage eine allgemeine Feststellungsklage zu erheben, es sei denn, dass der zu beurteilende Sachverhalt klar und überschaubar oder das Nachschieben weiterer Kündigungen offenkundig ausgeschlossen ist. Bei einer zulässigen allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO wird nämlich der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Ganzen, und zwar unter Einbeziehung eventueller weiterer Kündigungen, geprüft. Die Rechtskraft eines positiven Feststellungsurteils erfasst dann alle Beendigungsgründe.[20]

 

Rz. 37

Bisweilen stellt sich erst im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses heraus, dass die falsche Partei verklagt wurde. Dann aber ist es in haftungsrechtlicher Hinsicht meist schon zu spät, weil der Rechtsanwalt vor einem arbeitsgerichtlichen Verfahren den genauen Firmennamen der Arbeitgeberin zu ermitteln hat, falls dessen falsche Angabe zu Rechtsverlusten führen kann.[21]

 

Rz. 38

Probleme kann die Passivlegitimation bereiten, weil etwa durch Firmenübernahmen oder -fusionen der ursprüngliche Arbeitgeber nicht mehr mit dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt identisch ist. Auch kann es passieren, dass die Kündigung von einem Dienstleister ausgesprochen wird, der als rechtlich selbstständige Einheit in einem Unternehmensgeflecht für den tatsächlichen Arbeitgeber gehandelt hat. Im Fall einer Insolvenz ist dann richtige Partei kraft Amtes der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Arbeitgebers.

 

Rz. 39

Im Kontext mit den vorstehenden Gesichtspunkten wird es als "Rettungsanker" bezeichnet,[22] in derartigen Fällen einen Antrag auf Berichtigung des Rubrums zu stellen. Sicherheit bietet dieser Weg jedoch nicht. ...

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