Rz. 9

Aus der Sicht des Testamentsvollstreckers ist festzustellen, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den zurückliegenden fünfzehn Jahren deutlich geändert haben. Die bisherige Rechtsprechung datiert überwiegend aus Zeiten, als die Testamentsvollstreckung entweder als reiner Freundschaftsdienst angesehen oder ausschließlich durch Rechtsanwälte und Notare berufsmäßig ausgeübt wurde. Das Bild der geschäftsmäßigen Testamentsvollstrecker war weitgehend einheitlich von einer vergleichbaren juristischen Grundausbildung geprägt. Dem familiär orientierten Testamentsvollstrecker wurde eine eher niedrigere Vergütung zugemutet.[18]

 

Rz. 10

Mit der Zulassung der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung durch Nichtjuristen[19] hat sich für weite Berufskreise ein Tätigkeits- und Geschäftsfeld aufgetan, das bei den Diskussionen um die angemessene Testamentsvollstreckervergütung bisher noch keine Berücksichtigung hat finden können. Hier zeigt sich aktuell eine erhebliche Bandbreite von Dienstleistern. Sie reicht von den Anbietern geschäftsmäßiger Testamentsvollstreckungen, die völlig ohne eine Ausbildung[20] und die Unterhaltung eines sie unterstützenden Büros agieren, bis hin zu hochprofessionellen Testamentsvollstreckern mit nachgewiesener Ausbildung, steter Fortbildungsverpflichtung und Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung.[21] Es liegt auf der Hand, dass die Anwendung eines einheitlichen Vergütungssatzes für geschäftsmäßige Testamentsvollstrecker ohne Berücksichtigung ihrer in der heutigen Rechtswirklichkeit sehr unterschiedlichen Qualifikationen nicht mehr dem Angemessenheitskriterium des § 2221 BGB entsprechen kann. Schon um die "Stimmigkeit des Preis-Leistungsverhältnisses"[22] zu erhalten, aber auch um nicht willkürlich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln, kann ein Testamentsvollstrecker, der keinerlei Sonderqualifikation aufweist, keine letztendlich auch dem Schutz des Nachlasses dienende Vermögensschadenhaftpflichtversicherung unterhält, sich nicht fortbildet und keinen standesrechtlichen Restriktionen wie beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare unterliegt, nicht in demselben Umfang vergütet werden, wie die Angehörigen der Berufsgruppen, die diesen Restriktionen unterliegen oder sich ihnen auch nur freiwillig unterwerfen.

 

Anmerkung

Bei der Neufassung des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern vom 21.4.2005 wurden diese Gedanken umgesetzt. Nach § 4 VBVG erhalten Betreuer, die über besondere Kenntnisse verfügen, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, eine höhere Vergütung. Es ist daher auch für Testamentsvollstrecker nach differenzierteren Kriterien zu suchen, damit der Qualifikation des jeweils beteiligten Testamentsvollstreckers angemessen Rechnung getragen werden kann.[23]

[18] Zimmermann, ZEV 2001, 334–340 (335).
[19] Zunächst durch BGH, Urt. v. 11.11.2004 – I ZR 213/01, ZEV 2005, 122–123 und anschließend durch das RDG zum 1.7.2008 (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 RDG).
[20] Vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2004 – I ZR 213/01, ZEV 2005, 122–123: "Die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sehen eine besondere Qualifikation für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht vor." Recherchen im Internet zeigen, dass sich beispielsweise Bestatter, aber auch verschiedene Privatpersonen, bereits als Testamentsvollstrecker anbieten; siehe auch Rott/Kornau/Zimmermann, Praxishandbuch Testamentsvollstreckung, § 14 Rn 8.
[21] Zu nennen sind hier insbesondere die Zertifizierung von Testamentsvollstreckern durch die AGT (Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V.), Bonn (www.testamentsvollstreckerzertifikat.de) sowie der Fachberater für Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung des Deutschen Steuerberaterverbandes (www.dstv.de).
[22] J. Mayer, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 21 Rn 18.
[23] Auch der BGH sieht in seinen Entscheidungen BGH, Urt. v. 28.11.1962 – V ZR 225/60, NJW 1963, 487 sowie Beschl. v. 27.10.2004 – IV ZR 243/03, FamRZ 2005, 207 in der "Verwertung besonderer Kenntnisse" des Testamentvollstreckers einen vergütungserhöhenden Tatbestand. Angesichts der vielfältigen Aufgaben, die ein Testamentsvollstrecker zu bewältigen hat, kann diese Aussage generell auf Testamentsvollstrecker Anwendung finden, die eine spezielle Ausbildung nachweisen können. Es ist in der Praxis nahezu ausgeschlossen, dass diese Sonderkenntnisse in der konkreten Testamentsvollstreckung nicht nutzbringend für den Nachlass zur Anwendung gelangen. Für das Betreuungsrecht hat der BGH diesen Gedanken bereits explizit anerkannt. Danach ist es für eine Vergütungserhöhung aufgrund besonderer Fachkenntnisse noch nicht einmal notwendig, dass diese im konkreten Fall erforderlich sind und tatsächlich genutzt werden. Entscheidend sei die potentielle Nutzbarkeit, BGH, Beschl. v. 28.10.2020 – XII ZB 143/19 (für die Vergütung eines rechtlichen Betreuers, der zugleich staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger ist).

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