Rz. 22

Der Erb- und Pflichtteil von Adoptivkindern unterscheidet sich zunächst danach, ob sie als Minder- oder Volljährige angenommen wurden. In beiden Fällen sind das angenommene Kind und seine Abkömmlinge gegenüber dem Annehmenden erb- und pflichtteilsberechtigt (Grundsatz der Volladoption, §§ 1754, 1755 BGB). Der als volljährig Angenommene bleibt dies im Regelfall auch gegenüber seinen leiblichen Eltern (§§ 1767 Abs. 2, 1754, 1770 BGB). Anders liegt der Fall nur dann, wenn das Familiengericht – auf Antrag – bestimmt hat, dass sich die Wirkungen der Volljährigenadoption nach den Vorschriften über die Annahme Minderjähriger richten (§ 1772 Abs. 1 BGB). Die Wirkungen der Annahme eines Volljährigen erstrecken sich aber nicht auf die Verwandten des Annehmenden (§ 1770 Abs. 1 S. 1 BGB).

 

Rz. 23

Erfolgten die Adoptionen vor dem 1.1.1977, so sind die Übergangsregelungen des Art. 12 AdoptG zu beachten. War der Erblasser am 1.1.1977 bereits verstorben, bestimmen sich die erbrechtlichen Verhältnisse stets nach altem Adoptionsrecht (Art. 12 § 1 Abs. 4 AdoptG). Das alte Recht unterschied nicht zwischen der Adoption Volljähriger und Minderjähriger.[42] Die "Annahme an Kindes statt" (so die damalige Bezeichnung) erfolgte durch notariell beurkundeten Annahmevertrag, der zu seiner Wirksamkeit der Bestätigung durch das Vormundschaftsgericht bedurfte (§§ 1741 S. 2, 1754 BGB a.F.). Durch die Annahme erlangte das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden (§ 1757 BGB a.F.) und war daher ihm gegenüber erb- und pflichtteilsberechtigt (§ 1767 Abs. 1 BGB a.F.). Jedoch erstreckten sich die Wirkungen der Annahme nicht auf die Verwandten des Annehmenden (§ 1763 BGB a.F.). Der Angenommene war daher gegenüber den Eltern und Voreltern seiner Adoptiveltern nicht erb- und pflichtteilsberechtigt. Umgekehrt beerbte der Annehmende das Adoptivkind nicht (§ 1759 BGB a.F.). Die Verwandtschaft des Angenommenen zu seiner leiblichen Familie blieb bestehen (§ 1764 BGB a.F.) und damit auch das Erb- und Pflichtteilsrecht. Jedoch konnte in dem Annahmevertrag das gesetzliche Erbrecht, aber auch nur isoliert das Pflichtteilsrecht des Angenommenen ausgeschlossen werden (§ 1767 Abs. 1 BGB a.F.), was häufig geschah.

 

Rz. 24

Bei Erbfällen, die nach dem 31.12.1976 eintreten, ist zu unterscheiden, ob der Angenommene an diesem Tag volljährig (Art. 12 § 1 AdoptG) oder minderjährig war (§ 2 BGB).[43] Wenn der Angenommene am 1.1.1977 das 18. Lebensjahr vollendet hatte, so finden auf das Annahmeverhältnis die neuen Bestimmungen über die Volljährigenadoption (§§ 1767 ff. BGB) Anwendung (Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG); wurde in dem Annahmevertrag das Erbrecht des Kindes dem Annehmenden gegenüber ausgeschlossen, so bleibt dieser Ausschluss aus Vertrauensschutzgründen bestehen (Art. 12 § 1 Abs. 5 AdoptG). War der nach altem Recht Angenommene am 1.1.1977 minderjährig, so sind für die bis zum 31.12.1977 eintretenden Erbfälle für dessen Erb- und Pflichtteilsberechtigung die bisherigen Vorschriften maßgebend (Art. 12 § 2 Abs. 1 AdoptG). Für die danach eintretenden Erbfälle gilt das neue Recht der Minderjährigenadoption (Art. 12 § 2 Abs. 2 Hs. 1 AdoptG). Jedoch konnte ein Annehmender, das Kind, ein leiblicher Elternteil eines ehelichen Kindes oder die Mutter eines nichtehelichen Kindes durch Erklärung gegenüber dem Amtsgericht Berlin-Schöneberg bis zum 31.12.1977 die Wirkungen der Minderjährigenadoption ausschließen (Art. 12 § 2 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 AdoptG). In diesem Fall werden auf das Annahmeverhältnis die neuen Vorschriften über die Volljährigenadoption angewandt (Art. 12 § 3 Abs. 1 AdoptG). Wegen der Verweisung in Art. 12 § 3 Abs. 2 S. 1 AdoptG auf Art. 12 § 1 Abs. 5 AdoptG bleibt ein im Annahmevertrag vereinbarter Erbausschluss in diesem Fall bestehen. Kommt es dagegen mangels eines solchen Widerspruchs zur vollen Überleitung in das neue Recht der Minderjährigenadoption, so wird ein vereinbarter Erbrechtsausschluss unwirksam, weil Art. 12 § 2 Abs. 1 Hs. 2 AdoptG nicht auf Art. 12 § 1 Abs. 5 AdoptG verweist.[44]

 

Rz. 25

 

Übersicht 2: Erb- und Pflichtteilsrecht adoptierter Kinder bei Erbfällen nach dem 31.12.1977

Erb- und Pflichtteilsrecht des adoptierten ehelichen Kindes gegenüber Adoption vor dem 1.1.1977, wenn Adoptierter an diesem Stichtag noch minderjährig Adoption vor dem 1.1.1977, wenn Adoptierter an diesem Stichtag schon volljährig Adoption ab dem 1.1.1977, Angenommener ist minderjährig Adoption ab dem 1.1.1977, Angenommener ist volljährig
leiblichen Eltern

Geltung alten Rechts verlängert bis 31.12.1977.

Danach Überleitung auf die neuen Regeln der Minderjährigen-Adoption, sofern nicht durch das Kind, den Annehmenden, einen ehelichen Elternteil oder die nichteheliche Mutter bis dahin gegenüber dem AG Berlin-Schöneberg die Nichtanwendung dieser Vorschriften erklärt wurde; dann gelten ab 1.1.1978 die neuen Vorschriften über die Volljährigenannahme (siehe 4. Spalte).
Es gelten grundsätzlich die Regeln der Volljährigenadoption des neuen Rechts.

Erb- und P...

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