Rz. 34

Die Pflichtteilsansprüche zwischen Ehegatten bzw. Lebenspartnern und den Abkömmlingen konkurrieren miteinander. Die Rangfolge der Pflichtteilsberechtigung zwischen mehreren Abkömmlingen untereinander und zwischen Abkömmlingen im Verhältnis zu den Eltern regelt § 2309 BGB – eine wenig verständliche Vorschrift,[53] die viele Rätsel aufgibt, zu der es jedoch eigenartigerweise erst in jüngerer Zeit veröffentlichte Rspr. gibt.

 

Rz. 35

§ 2309 BGB ergänzt die in § 2303 BGB geregelte abstrakte Pflichtteilsberechtigung im Verhältnis der Abkömmlinge und der Eltern des Erblassers. Das Pflichtteilsrecht soll zwar gewährleisten, dass die Pflichtteilsberechtigten die Hälfte des Nachlasses für ihre enttäuschten Erberwartungen erhalten, aber auch nicht mehr. Zweck des § 2309 BGB ist dabei zu verhindern, dass es durch die in § 2303 BGB bestimmte Vielzahl von Pflichtteilsberechtigten zu einer "Vervielfältigung der Pflichtteilslast" kommt.[54] Demselben Stamm darf der Pflichtteil nicht zwei Mal gewährt werden.[55] In der Regel geschieht dies systemimmanent nach § 2303 BGB dadurch, dass beim Vorhandensein von näheren Abkömmlingen die vom Erblasser nicht bedachten Eltern oder entfernteren Abkömmlinge bereits unmittelbar durch das Gesetz von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind (§§ 1924 Abs. 2, 1930 BGB). Ein Pflichtteilsrecht entfällt daher für sie schon deshalb, weil es an dem dafür nötigen Ausschluss "durch Verfügung von Todes wegen" fehlt.

 

Rz. 36

Problematisch sind aber die Fälle, in denen der nähere Abkömmling wegfällt und dafür die entfernteren Abkömmlinge oder Eltern des Erblassers aufrücken, aber andererseits der weggefallene nähere Pflichtteilsberechtigte selbst pflichtteilsberechtigt bleibt (siehe Rdn 40 ff.) oder aber aus dem Nachlass eine Zuwendung von Todes wegen erhält, die den Pflichtteil ganz oder wenigstens teilweise deckt.[56]

 

Rz. 37

Diesem Normzweck entsprechend hat die Bestimmung keine eigenständig pflichtteilsbegründende Funktion,[57] sondern schränkt nur eine an sich gegebene Pflichtteilsberechtigung wieder ein.[58]

[53] Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 IV Fn 61.
[54] RGZ 93, 193, 195.
[55] So bereits Motive V, S. 401; RGZ 93, 193, 196.
[56] Staudinger/Otte, § 2309 Rn 3; Soergel/Dieckmann, § 2309 Rn 3 ff.
[57] Bestelmeyer, FamRZ 1997, 1124, 1125; Soergel/Dieckmann, § 2309 Rn 1.
[58] Vgl. etwa Palandt/Weidlich, § 2309 Rn 1; MüKo-BGB/Lange, § 2309 Rn 2; Staudinger/Otte, § 2309 Rn 3.

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