1. Die neue Textfassung

 

Rz. 43

 

§ 15a Anrechnung einer Gebühr

(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.

(3) 1Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. 2Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. 3Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.

(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

2. Inhaltliche Änderung

a) Überblick

 

Rz. 44

In § 15a RVG ist ein neuer Absatz 2 eingefügt worden. Der bisherige Abs. 2 ist damit zu Abs. 3 geworden. Ursprünglich sollte die Änderung als neuer Abs. 3 angehängt werden (so auch noch der Regierungsentwurf). Der Rechtsausschuss hat dann aber vorgeschlagen, aus systematischen Gründen die neue Regelung in Abs. 2 einzufügen und die an sich ohnehin systemwidrige Regelung im bisherigen § 15a Abs. 2 RVG in Abs. 3 zu verschieben.

 

Rz. 45

Mit dem neuen Absatz 2 wird klargestellt, wie anzurechnen ist, wenn mehrere Gebühren aus Teilwerten auf eine Gebühr aus dem Gesamtwert anzurechnen sind. Diese Frage war bislang strittig.

b) Anrechnung nach Wertgebühren

 

Rz. 46

Kontrovers diskutiert worden ist die Frage bei der Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren auf eine Verfahrensgebühr bei Abrechnung nach dem Gegenstandswert. Solche Fallkonstellationen konnten auftreten, wenn außergerichtlich zunächst mehrere Angelegenheiten mit unterschiedlichen Gegenständen gegeben waren und im anschließenden gerichtlichen Verfahren dann alle Gegenstände in einem Verfahren im Wege der objektiven Klagenhäufung geltend gemacht wurden. Ebenso konnte diese Fallkonstellation auftreten, wenn zwei Parteien außergerichtlich jeweils eigene Ansprüche gesondert geltend gemacht hatten, diese aber in ein einheitliches gerichtliches Verfahren im Wege von Klage und Widerklage eingebracht wurden.

 

Rz. 47

 

Beispiel:

Der Anwalt hatte außergerichtlich für den Auftraggeber gegen B eine Forderung i.H.v. 8.000,00 EUR geltend gemacht. Gleichzeitig hatte er in einer anderen Angelegenheit eine Forderung des B in Höhe von 6.000,00 EUR abgewehrt. Die Streitigkeiten waren umfangreich, aber durchschnittlich, sodass jeweils von der Mittelgebühr auszugehen war. Anschließend erhob der Anwalt für seinen Mandanten Klage auf Zahlung der 8.000,00 EUR. Der Beklagte B erhob Widerklage wegen seiner 6.000,00 EUR. Es wurde mündlich über Klage und Widerklage verhandelt. Der Streitwert wurde auf 14.000,00 EUR festgesetzt (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG).

Außergerichtlich waren zwei verschiedene Angelegenheiten gegeben und damit zwei Geschäftsgebühren entstanden. Abzurechnen war insoweit wie folgt (alte Gebührenbeträge):

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000,00 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG   684,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 704,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   133,76 EUR
  Gesamt   837,76 EUR

II. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 6.000,00 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG   531,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 551,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   104,69 EUR
  Gesamt   655,69 EUR
 

Rz. 48

Im gerichtlichen Verfahren war sodann eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 14.000,00 EUR entstanden. Darauf waren jeweils 0,75 aus 8.000,00 EUR und aus 6.000,00 EUR anzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BGH sollten beide Geschäftsgebühren in voller Höhe anzurechnen sein.

 
Hinweis

Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren auf einheitliche Verfahrensgebühr

Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

BGH, Beschl. v. 28.2.2017 – I ZB 55/16[1]

 
Praxis-Beispiel

Dies ergab folgende Berechnung:

III. Gerichtliches Verfahren (Wert: 14.000,00 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 845,00 EUR  
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,75 aus 8.000,00 EUR – 342,00 EUR  
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,75 aus 6.000,00 EUR – 265,50 EUR  
  verbleibende Verfahrensgebühr   237,50 EUR
4. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG   780,00 EUR
5. Postentgeltpauschal...

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