Rz. 185

In § 58 Abs. 3 S. 4 RVG sind die Wörter "als die Höchstgebühren" durch die Wörter "als die im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Höchstgebühren" ersetzt worden. Mit der geänderten Formulierung in § 58 Abs. 3 S. 4 RVG soll klargestellt werden, wie die dortige Begrenzung zu verstehen ist. Bislang war nämlich umstritten, wie die Begrenzung in § 58 Abs. 3 S. 4 RVG auf die "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" zu verstehen sein sollte.

Zum Teil wurde die Begrenzung auf die "Höchstgebühren" dahin verstanden, dass der im Vergütungsverzeichnis vorgesehene obere Gebührenbetrag maßgebend sei.[33]
Nach anderer Auffassung sollten mit der Höchstgebühr die im Einzelfall konkret entstandene nach § 14 Abs. 1 RVG angemessene Gebühr des Wahlverteidigers verstanden werden.[34]
 

Rz. 186

 
Hinweis

Der in § 58 Abs. 3 S. 4 RVG verwendete Begriff der "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" bezeichnet diejenige Vergütung als Anrechnungsgrenze, die der Pflichtverteidiger gem. § 14 Abs. 1 RVG unter Berücksichtigung der dort benannten Umstände im konkreten Einzelfall nach billigem Ermessen (höchstens) verlangen könnte, wenn er das betreffende Mandat (weiterhin) als Wahlverteidiger wahrgenommen hätte; diese Auslegung der mit dem zweiten Gesetz Zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) mit Wirkung zum 1.8.2013 eingeführten Bestimmung ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte, des Gesetzesmaterialien und dem Regelungszusammenhang der betreffenden Norm.

OLG Jena, Beschl. v. 20.4.2017 – 1 Ws 354/16[35]

Nach einer weiter vertretenen Auffassung sollten unter den "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" auch die nach § 42 RVG festgestellte Pauschgebühr zu verstehen sein, weil diese nach § 42 Abs. 1 S. 3 RVG an die Stelle der jeweiligen Gebühr(en) trete.[36]
 

Rz. 187

Der Gesetzgeber hat nunmehr klargestellt, dass mit der "Höchstgebühr" die im Vergütungsverzeichnis vorgesehene Höchstgebühr maßgebend ist, also der obere Betrag des jeweiligen Betragsrahmens. Dies war auch bisher schon so gewollt, denn eine im Einzelfall angemessene Höchstgebühr gibt es nicht. Angemessen sein kann immer nur eine konkrete im Einzelfall festgestellte Gebühr.

 

Rz. 188

Die jetzt vorgenommene Klarstellung dient auch praktischen Erwägungen. Das Festsetzungsverfahren würde erheblich verkompliziert und wäre sehr streitanfällig, wenn man auf die im Einzelfall konkrete angemessene Gebühr abstellen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gericht die für die Ermittlung der konkreten angemessenen Gebühr maßgeblichen Bestimmungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG häufig nicht bekannt sind und durch Mitwirkung der Rechtsanwälte erst aufwändig ermittelt werden müssten. Darüber hinaus wäre dann auch noch das Bestimmungsrecht des Anwalts zu berücksichtigen sowie die ihm nach der Rechtsprechung zustehende Toleranzgrenze. Darüber hinaus wäre auch noch zu prüfen, ob nicht die Voraussetzung des § 42 RVG für die Bewilligung einer Pauschgebühr vorliegen würden. Mit der jetzt vorgenommenen Klarstellung wird dem Kostenbeamten eine einfache Berechnungsmethode an die Hand gegeben. Die im Vergütungsverzeichnis vorgesehene Höchstgebühr kann er ganz einfach aus dem Vergütungsverzeichnis entnehmen, nämlich aus dem oberen Gebührenbetrag, der für die jeweilige Gebühr – ohne die Berücksichtigung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG – vorgesehen ist.

 

Rz. 189

 

Beispiel:

Nach Erhalt der Anklage beauftragt der Angeklagte einen Anwalt mit seiner Verteidigung und zahlt ihm einen Vorschuss i.H.v. 600,00 EUR. Später legt der Anwalt das Wahlmandat nieder und wird zum Pflichtverteidiger bestellt. Im Hauptverhandlungstermin wird der Angeklagte verurteilt.

Der Pflichtverteidiger macht unter Anzeige der Zahlung i.H.v. 600,00 EUR folgende Vergütung gegen die Staatskasse geltend:

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG 176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV RVG 145,00 EUR
3. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV RVG 242,00 EUR
4. Längenzuschlag, Nr. 4110 VV RVG 121,00 EUR
  Gesamt Gebühren 684,00 EUR

Die Höchstgebühren eines Wahlanwalts nach dem Vergütungsverzeichnis betragen:

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG 396,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV RVG 319,00 EUR
3. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV RVG 528,00 EUR
  Gesamt Gebühren 1.243,00 EUR

Der Urkundsbeamte prüft zunächst die Anrechnung daraufhin, dass unter Anrechnung des Vorschusses nicht mehr als die doppelten Pflichtverteidigergebühren überschritten werden.

 
Die doppelten Pflichtverteidigergebühren betragen 1.368,00 EUR

Erhalten hat der Anwalt

 
Vorschuss 600,00 EUR
einfache Pflichtverteidigergebühren 684,00 EUR
  Gesamt 1.284,00 EUR

Eine Anrechnung nach § 58 Abs. 3 S. 3 RVG scheidet damit aus.

Jetzt prüft er die Grenze des § 58 Abs. 3 S. 4 RVG.

 
Mit Vorschuss und Pflichtverteidigergebühren würde der Anwalt 1.284,00 EUR

erhalten.

 
Die Höchstgebühren belaufen sich aber nur auf 1.243,00 EUR
Das ergibt eine Differenz i.H.v. 41,00 EUR
Die Pflichtverteidigergebühren werden daher nur i.H.v. 684,00 EUR– 41,00 EUR
ausgezahlt. 643,00 EUR
[33] Vgl. Burhoff/Volpert, a.a.O., § 58 Rn 65...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge