Rz. 2

Vor rechtskräftiger Scheidung ist das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten nach § 1933 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte und im Todeszeitpunkt die Scheidungsvoraussetzungen vorlagen. In diesem Fall kann der Ehegatte auch keinen Pflichtteil mehr verlangen, da er nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, sondern ihm kraft Gesetzes kein Erbrecht mehr zusteht.

 

Rz. 3

Sind die Voraussetzungen des § 1933 S. 1 BGB gegeben, ist zugleich § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB erfüllt, was zur Folge hat, dass Verfügungen zugunsten des Ehegatten in einem einseitigen Testament unwirksam sind. Ein gemeinschaftliches Testament ist seinem ganzen Inhalt nach unwirksam (§ 2268 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch vertragsgemäße Zuwendungen an den Ehegatten im Rahmen eines Erbvertrags sind unwirksam (§ 2279 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB).

Da der Wille des Erblassers immer vorrangig ist, kommt gem. § 2077 Abs. 3 BGB die Vorschrift des § 2077 Abs. 1 BGB nur dann zur Anwendung, wenn ein entgegenstehender Wille des Erblassers nicht ermittelt werden kann. Folglich sind auch hier klarstellende Anordnungen zweckmäßig und ratsam.

 

Formulierungsbeispiel

Die von uns getroffenen Verfügungen entfallen und sind unwirksam, wenn die Ehe der Ehegatten vor dem Tod des Erstversterbenden aufgelöst worden ist oder bei dessen Tod die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und einer der beiden Ehegatten die Scheidung beantragt hat.

1. Normzweck des § 1933 BGB

 

Rz. 4

Mit dem 1. EheRG[2] hat sich der Normzweck des § 1933 BGB stark verändert. Vor dieser Änderung war der überlebende Ehegatte weder erbberechtigt, noch hatte er einen Anspruch auf den Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB), wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes berechtigt war, Scheidungs- oder Aufhebungsklage zu erheben und diese Klage auch erhoben hatte und der überlebende Ehegatte auch im Falle der Scheidung oder Aufhebung als schuldig anzusehen gewesen wäre.[3] Intention dieser Regelung war die Bestrafung des Ehegatten, der schuldhaft einen Scheidungsgrund herbeigeführt hat. Mit Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht verlor jedoch die Regelung ihren Sinn. Der Gesetzgeber hat aber trotzdem am Ausschluss des Ehegattenerbrechts festgehalten und zwar für den Fall, dass der Erblasser einen begründeten Scheidungsantrag gestellt hat oder aber einem solchen Antrag zugestimmt hat. Für diese Fälle soll dem überlebenden Ehegatten, so der Gedanke des Gesetzgebers, keine Berechtigung mehr zustehen, Erbe des Erstversterbenden zu werden. Das gesetzliche Erbrecht entspräche in dieser Situation nicht mehr dem mutmaßlichen Willen des Erblassers.[4]

 

Rz. 5

Diese Argumentation stößt teils auf heftige Kritik, wobei zu Recht darauf hingewiesen wird, dass dann konsequenterweise das Erbrecht für beide Ehegatten entfallen müsse. Dies ergibt sich aber gerade nicht aus § 1933 BGB. Nur der Scheidungsgegner verliert im Falle des Todes des Ehegatten, der die Scheidung beantragt hat, sein Erbrecht. Verstirbt aber der andere Ehegatte, wird er von dem scheidungswilligen Ehegatten dennoch beerbt.[5] In diesem Prinzip liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gegenseitigkeit der Erbberechtigung.[6] Sowohl der BGH als auch das BVerfG haben sich zu diesem Problemkreis aber noch nicht abschließend geäußert.

 

Rz. 6

In den Fällen, in denen beide Ehegatten die Scheidung betreiben, bestehen gegen den gegenseitigen Ausschluss des Erbrechts keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

[2] Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 (BGBl I 1976 S. 1421), das am 1.7.1977 in Kraft trat (Art. 12 Nr. 13a 1. EheRG).
[3] Damrau/Tanck/Seiler-Schopp, § 1933 Rn 1.
[4] MüKo/Leipold, § 1933 Rn 1, Battes, FamRZ 1977, 433, 437.
[5] MüKo/Leipold, § 1933 Rn 2.
[6] Battes, FamRZ 1977, 433, 437; Dieckmann, FamRZ 1979, 389, 396.

2. Tatbestandsvoraussetzungen des § 1933 BGB

 

Rz. 7

Ist der Erblasser während eines Scheidungsverfahrens verstorben, ist der Ehegatte von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wenn der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat. Dies gilt allerdings nur, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen.

Der Erblasser muss vor seinem Tod die Scheidung beantragt haben. Die Rechtshängigkeit der Scheidung tritt durch Zustellung des Scheidungsantrags an den Antragsgegner ein. Die Zustellung muss vor dem Erbfall erfolgt sein.[7]

Die Zustimmung des Erblassers zur Scheidung setzt voraus, dass das Scheidungsverfahren vom länger lebenden Ehegatten eingeleitet und der Antrag dem Erblasser zugestellt worden ist. Die Zustimmung ist Prozesshandlung und kann gem. § 134 FamFG zur Niederschrift der Geschäftsstelle, in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift des Gerichts (jeweils ohne Anwaltszwang, § 114 Abs. 4 Nr. 3 FamFG) oder per Schriftsatz (des bevollmächtigten Rechtsanwalts) an das Gericht erfolgen.[8] Bei anderen als den vorgenannten Einverständniserklärungen treten die Rechtsfolgen des § 1933 BGB nicht ein.[9]

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